Ausgesprochen KAPUSTE: Immer locker bleiben
Kommt ein Mann nach Hause, sagt die Frau: „Du bist spät dran. Wir wollen doch ins Konzert.
Stand:
Kommt ein Mann nach Hause, sagt die Frau: „Du bist spät dran. Wir wollen doch ins Konzert.“
Darauf der Mann: „Wir können sofort los. Ich zieh mich nicht mehr um. Ich geh im Pullover. Ich muss nur die Jeans loswerden, sie sind zu eng, um lange zu sitzen. Ich ziehe die Hose an, die ich bei der Gartenarbeit trage, sie ist bequem und noch nicht dreckig geworden.“
„Geht in Ordnung. Hast du was dagegen, wenn ich die Bluse anziehe, die ich gestern beim Bowlen anhatte?“
„Warum sollte ich?“, meint der Mann. „Wir wollen doch nicht so overdressed wie die Müllers sein, er immer mit Krawatte und sie mit Schmuck behängt wie ein Christbaum. Furchtbar!“
Recht hat der Mann. Ja, furchtbar! Man denke nur an früher, an das Theater, das sich damals jedes Mal zu Hause vor dem Besuch eines Theaters, eines Konzerts, einer Jubiläumsfeier abspielte. Das Anziehritual sollte angeblich Vorfreude auf den festlichen Abend erzeugen. War aber nur Stress.
Der Mann stand vor allem im Weg, moserte, seine Hose sei nicht gebügelt und das Jackett nicht gebürstet, und er hielt seine Frau mit der Frage auf, welche Krawatte er umbinden solle. Sie hetzte, vom stundenlangen Sitzen beim Friseur schon genug genervt, in der Wohnung hin- und her, zwischen der Küche, wo sie das Abendbrot für die zu Hause bleibenden Kinder zubereitete, dem Schlafzimmer, wo sie ein Kleid nach dem anderen aus dem Schrank zerrte und wieder verstaute, und dem Badezimmer, wo sie zum x-ten Mal ihre Frisur musterte und ganz scheußlich fand. Und dann waren da noch ihre ständigen Vorwürfe an den Mann, er drängle schon wieder, und er darauf gereizt: „Tue ich doch gar nicht!“, und sie wiederum: „Doch! Ich kenn dich. Du müsstest mal dein mürrisches Gesicht sehen!“ Kurz bevor man endlich die Wohnung verließ, riss dem Mann durch ungeduldiges Zerren ein Schnürsenkel, und die Frau, schon in der Wohnungstür stehend, sauste noch mal zurück, um nun doch die blassblaue Bluse anzuziehen. Im Auto saß der Mann verbittert schweigend hinter dem Lenkrad, während die Frau ihre Fingernägel lackierte und danach das Seitenfenster herunterkurbelte und eine Hand hinausstreckte, um den Nagellack durch den Fahrtwind zu trocknen.
Zum Glück sind diese Zeiten vorbei, jetzt geht es locker zu. Pullover, Jeans, T-Shirts sind dazu da, dass man sie trägt. Auch zum Konzert im Nikolaisaal und bei Omas Geburtstag.
Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.
Eberhard Kapuste
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