Ausgesprochen KAPUSTE: Immer positiv
Potsdam ist eine schöne Stadt mit lauter netten Menschen. Deshalb sollen meine Kolumnen möglichst nur Gutes berichten und von meiner positiven Lebenseinstellung Zeugnis ablegen.
Stand:
Potsdam ist eine schöne Stadt mit lauter netten Menschen. Deshalb sollen meine Kolumnen möglichst nur Gutes berichten und von meiner positiven Lebenseinstellung Zeugnis ablegen. Ich sage meiner schnöden Vergangenheit ab, in der mir nichts heilig war und ich mit meinen Satiren sogar unseren ehrwürdigen Oberbürgermeister durch den Kakao gezogen habe. Damit ist Schluss! Ein für alle Mal! Doch irgendwie ist in meiner Nachbarschaft bekannt geworden, dass ich jetzt Kolumnen schreibe. Im Bäckereiladen wurde ich am frühen Samstagmorgen darauf angesprochen. Von den vielen um diese Zeit zum Einkauf geschickten Männern. Damit sie zuhause nicht im Weg stehen und versuchen, die Kinder zu erziehen.
„Sie müssen unbedingt über den Hundedreck auf den Straßen schreiben!“, fordert ein in der langen Reihe vor mir stehender Rentner und sieht mich streng an.
„Unsinn“, tönt es von hinten. „Die Flugrouten sind ein wichtigeres Thema.“
„Und die Abzocke beim Parken in der Innenstad!“, ruft einer von rechts.
„Ihre Sorgen möchte ich haben“, mischt sich von links ein Bartträger mit Pudelmütze ein. „Nutzen Sie doch den öffentlichen Nahverkehr.“
„Besser, Sie schreiben über die Schulden der Stadt“, versucht ein Mann mit einem Kleinkind auf dem Arm zu vermitteln. Und der Bartträger assistiert: „Genau, und dass die Verwaltung trotzdem das Geld zum Fenster raus schmeißt!“
„Alles Quatsch“ lässt sich der Rentner wieder vernehmen. “Über die verdreckten Straßen soll er schreiben. Über den Hundedreck.“
„Nicht doch! Er soll erreichen, dass wir überall durch Sanssouci mit dem Rad fahren dürfen“, schlägt die einzige Frau im Laden vor und sieht mich aufmunternd an.
„Was heißt denn wir? Ich nicht!“, giftet ein Lodenmantelträger.
Als ich voll bepackt vor dem Laden stehe und krampfhaft versuche, ein weg gerutschtes Baguette wieder in die Tüte zu stopfen, sehe ich, wie der Rentner sein Fahrrad besteigt. „Wir Rentner müssen zusammen halten!“, ruft er und prescht davon. Auf dem Gehweg.
Worauf habe ich mich da nur eingelassen!
Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.
Eberhard Kapuste
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: