Landeshauptstadt: „In Babelsberg wird kein Garten mehr angefasst“ VGS-Geschäftsführer Friedrich Niehaus über die neue Kleingartenkonzeption und teure Erholungsgärten
Nur noch maximal 42 Kleingärten könnten in den nächsten Jahren neu einer Bebauung weichen. Das sieht die Kleingartenkonzeption vor, die vom Potsdamer Planungsbüro „Grün der Zeit“ erarbeitet und zwischen Vertretern der Stadtverordneteversammlung, der Stadtverwaltung und des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) abgestimmt wurde.
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Nur noch maximal 42 Kleingärten könnten in den nächsten Jahren neu einer Bebauung weichen. Das sieht die Kleingartenkonzeption vor, die vom Potsdamer Planungsbüro „Grün der Zeit“ erarbeitet und zwischen Vertretern der Stadtverordneteversammlung, der Stadtverwaltung und des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) abgestimmt wurde. Mit der Einbeziehung von Kleingartenland in den Bebauungsplan 109 (Allee nach Glienicke) hatte die Verwaltung aber erneut für Unwägbarkeiten gesorgt. Hinzu kommt die drastische Pachterhöhung für so genannte Erholungsgärten. Über das Kleingartenkonzept und seine Umsetzung sprachen die PNN mit VGS-Geschäftsführer Friedrich Niehaus.
Sie haben die Kleingartenkonzeption, die im Herbst der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt werden soll, sehr positiv bewertet. Was bringt sie den Kleingärtnern an Verbesserungen?
In der Konzeption werden erstmals für jede Anlage parzellengenau die Entwicklung und eine eventuelle Gefährdung erfasst, die aber nur 42 Gärten betrifft, vornehmlich an der Seestraße und der Amundsen-/Katharinenholzstraße. Der „Glienicker Winkel“ hat von sich aus Antrag auf die Umwidmung zum Siedlerverein gestellt. Am Schloss Lindstedt will der Eigentümer, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, längerfristig die Lennésche Kulturlandschaft wiederherstellen. Selbstverständlich wird der Verband den dortigen Kleingartenverein, der unser Mitglied ist, bei einer sozialverträglichen Klärung des Problems unterstützen.
Kann man also davon ausgehen, dass mit der Konzeption die übergroße Mehrzahl der Potsdamer Kleingärten dauerhaft gesichert ist?
Ja. Als Dauerkleingärten werden beispielsweise die großen Anlagen in Potsdam-West bestätigt. Dort bemühen wir uns zusätzlich um eine Ackerfläche, auf der wir neue Gärten, aber auch endlich den dringend notwendigen Parkplatz anlegen wollen. Für Babelsberg hat das Planungsbüro festgestellt, dass hier in den letzten Jahren eine übergroße Zahl von Parzellen geopfert worden und so ein Defizit im öffentlichen Grün entstanden ist. Schlussfolgerung: In Babelsberg wird über die bereits bestehenden Bebauungspläne hinaus kein Garten mehr angefasst.
Nun heißt es ja immer, Kleingärten könnten an den Stadtrand verlagert werden ...
Dieser Variante, mit der wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, erteilt die Kleingartenkonzeption eine Absage. Abgesehen davon, dass sie zusätzliche Verkehrsströme durch die Innenstadt nach sich zieht, wünschen sich vor allem unsere vielen älteren Mitglieder einen wohnungsnahen so genannten „Pantoffel“-Garten.
Lassen die Querelen um den Bebauungsplan 109 nicht befürchten, dass die Kleingartenkonzeption ein schönes Stück Papier bleibt?
Nicht, wenn die Stadt endlich eine geordnete Kommunikation zwischen Verwaltung und Stadtverordneten, aber auch innerhalb der Verwaltung durchsetzt. Bei der versuchten und nunmehr ja abgewendeten Inanspruchnahme von Kleingärten an der Allee nach Glienicke als Bauland wusste wieder einmal die rechte Hand nicht, was die linke tut. Das Echo auf diesen Vorgang hat gezeigt, dass die Stadtverordneten solche Fehlleistungen nicht länger hinnehmen. Standen die meisten der Kleingartenproblematik früher reserviert gegenüber, ist inzwischen der Kleingartenbeirat mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU, Mike Schubert und Steeven Bretz, sowie schon länger mit Ralf Jäkel von der Linkspartei prominent besetzt. Dies stimmt mich optimistisch, dass die Politik den Wert unserer Anlagen für das Stadtklima, die Naherholung und das gesellschaftliche Leben jetzt richtig einschätzt. Kleingärten sind nach der Reiseeuphorie vergangener Jahre stark gefragt. Manche Vereine haben schon wieder Wartelisten für Bewerber, mit durchschnittlich 2,4 Pächtern je Parzelle erreichen wir deutschlandweit einen Spitzenwert, und die Zahl der öffentlichen Sommerfeste hat sich mit 25 wieder dem „DDR-Niveau“ angenähert.
Die Pacht für Erholungsgärten, die nicht durch den VGS vertreten werden, soll auf das Sechsfache erhöht werden. Der Kommunale Immobilienservice hat dazu schon Bescheide verschickt. Auch dagegen gibt es Proteste von Abgeordneten. Auf Ihren Vorschlag, diese Gärten mit unter das Dach des VGS zu nehmen und so die Pachterhöhung verträglicher zu gestalten, gibt es jedoch kaum ein Echo.
Das sehe ich nicht so. In unserer Geschäftsstelle sprechen täglich Betroffene vor, und ich bin laufend unterwegs, um mit ihnen vor Ort die Probleme zu erörtern. Der Ortsbeirat Marquardt hat den VGS gebeten, sich in dieser Frage zu engagieren. Mag der nunmehr vom VGS-Kreisvorstand gebilligte Vorschlag auch etwas ungewöhnlich erscheinen, er weist einen sozialverträglichen Ausweg aus dem Dilemma. Bekommen wir die Gärten übertragen, könnte die Stadt ihren Verwaltungsaufwand dafür minimieren. Die dann mögliche Pachtermäßigung würde ihr die Kündigung und Rückgabe zahlreicher Grundstücke ersparen, die sie fortan selbst pflegen müsste. Die Kosten dafür und der Ausfall an Pachteinnahmen würden die 150 000 Euro Mehreinnahmen, die der KIS ausrechnet, aus meiner Sicht auf Null sinken lassen. Ein bürokratischer Akt also, der nichts einbringt und gegen die Bürgerinteressen gerichtet ist.
Welche Voraussetzungen gäbe es denn für die Übernahme der Erholungsgärten unter das Dach des VGS?
Was ist überhaupt ein Erholungsgarten, das müsste genau definiert werden. Ein lukratives Innenstadtgrundstück kann nicht mit einer grasbewachsenen Restfläche in Marquardt gleichgesetzt werden. Daraus wären verschiedene Pachthöhen abzuleiten. Und dann müssten die Pächter natürlich einverstanden sein, dass wir ihre Vertretung übernehmen.
Warum will sich der VGS dieses Problem überhaupt aufladen?
Unser Statut verpflichtet uns, die Kleingärtnerei „in jeder Form“ zu fördern. Wir verstehen uns als Anwalt der kleinen Leute, denn unsere Mitglieder gehören nicht den wohlhabenden Schichten an. Schließlich möchten wir verhindern, dass wichtige Teile des Stadtgrüns verwahrlosen und verkommen. Wer durch die einst als erste Adresse der Naherholung gehandelte Anlage am Schlänitzsee geht und dort leerstehene Gärten mit verfallenden Lauben sieht, wird bestätigen: Diese Entwicklung hat bereits begonnen.
Das Gespräch führte Erhart Hohenstein
Friedrich Niehaus ist
Chef des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS). Der VGS vertritt in Potsdam knapp 80 Kleingartensparten, dazu kommen zahlreiche Sparten im Umland.
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