Landeshauptstadt: In den Klauen der Realität
30 Jahre Stadt- und Landesbibliothek: Podiumsdiskussion zeigt Einigkeit über den Erhalt des Gebäudes
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30 Jahre Stadt- und Landesbibliothek: Podiumsdiskussion zeigt Einigkeit über den Erhalt des Gebäudes Innenstadt - Am Ende überwog der Konsens. Und der lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Die Potsdamer bekennen sich zu ihrer Stadt- und Landesbibliothek. Das ist eine handfeste Überraschung und war im Vorfeld der Podiumsdiskussion anlässlich des 30-jährigen Geburtstags des Gebäudes am Platz der Einheit in dieser Form nicht zu erwarten. Keine Rede vom „Schandfleck“ und „Betonklotz“, der die Mitte verschandele, selbst das sonst mit dem Haus eng verbundene Substantiv der „Sprengung“ fiel am Freitagabend während der sehr gut besuchten Veranstaltung nicht. Statt dessen wurde konstruktiv diskutiert. Mögliche und unmögliche Entwicklungschancen für die alte Bibliothek wurden erwogen und mit den Finanznöten von Stadt und Land als Hauptgeldgeber zu einer „realistischen“ Sichtweise verarbeitet. Diese könnte – als Forderung formuliert – folgendermaßen klingen: Die Bibliothek im alten aber modernisierten Gebäude erhalten, sie in ein stimmiges Konzept der Umgestaltung der historischen Mitte Potsdams eingliedern und mit erhöhten Mitteln den Bestand sichern. Die vor 30 Jahren „modernste Bibliothek der DDR“ ist zwar inzwischen von diesem, ihrem ehemaligen Stigma weiter entfernt denn je, „aber sie ist baulich grundsolide“, sagte der Architekt Bernhard Wendel, der als Vertreter des Beirats Potsdamer Mitte geladen war. Damit überraschte er viele, die vor allem die bröcklige Fassade des Gebäudes im Hinterkopf haben und deshalb nicht ahnen können, dass das Haus noch weitere 40 Jahre Restnutzungszeit vor sich haben kann. Allerdings, so Wendel, „nur wenn hier noch einmal rund drei Millionen Euro investiert werden“. Zum Vergleich: Ein Abriss käme mit 2,5 Millionen Euro fast genauso teuer. Aber nicht nur das Haus hat offenbar Substanz: Trotz aller Widernisse schreibt die Einrichtung weiter an ihrer Erfolgsstory mit über 340 000 Besuchern im Jahr. Und die werden trotz der Randumstände – mit nur noch 52 der ehemals über 120 Mitarbeiter und einem Medienetat weit unter einem Euro pro Einwohner kratzt die Bibliothek zunehmend an ihrem Existenzminimum – immer noch derart gut bedient, dass ein älterer Leser sich an diesem Abend ausdrücklich bei den Mitarbeitern „für ihre Freundlichkeit und Hilfe“ bedankte. Die Bibliothek funktioniert, folgt man der Stimme von PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, jedoch „offensichtlich zu gut“. Nur so hätte der, eigentlich akute, Handlungsbedarf im Stadtparlament derart lange ignoriert werden können. Die Schülerin Andrea Gau vom Helmholtz Gymnasium sagte, wo jetzt die Prioritäten liegen sollten: „Eine schöne Hülle ist nicht so wichtig wie die inneren Werte!“ Mit 2,5 Prozent beträgt die Erneuerungsrate der Bücher und Medien nur ungefähr ein Drittel dessen was die Direktorin der Einrichtung, Marion Mattekat, für „wünschenswert“ hält. Über zwanzig Zeitschriftenabonnements mussten in den letzten Jahren bereits abgeschafft werden. Fakten, die bei den Politikern auf dem Podium und im Saal sichtlich Ernüchterung auslösten. Sie alle betonten immer wieder die Bedeutung der Bibliothek, aber eben auch die missliche Lage der Finanzen und die Krux die sich daraus ergebe. Einfache Lösungen hatte niemand bei der Hand, aber: Sollte es beim Konsens über die Erhaltung des Gebäudes bleiben, „ist mit der Ungewissheit gleichzeitig auch eine große Entwicklungsbremse weg“. So sah es Michael Erbach, Chefredakteur der PNN und Moderator der Veranstaltung und war damit an diesem Abend nicht alleine.
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