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Von Antje Horn-Conrad: In der Halle des Bergkönigs

Die Kammerakademie unterstützt das Helmholtz-Gymnasium beim Aufbau eines Schulorchesters

Stand:

„Ob ich ihn in den Finger schneid''? Lasst mich ihn in den Schenkel beißen, sofern er in Salzlaug'' zu pökeln ist!“ Peer Gynt hat nichts zu lachen. Weil er sich weigert, die hässliche Tochter des Bergkönigs zu heiraten, wird er von dessen Erdgeistern, den Trollen und Hexen, so lange gequält, bis er bewusstlos zusammenbricht.

Die „Halle des Bergkönigs“ – für einen Probennachmittag liegt sie im Musikraum des Potsdamer Helmholtz-Gymnasiums. Tapfer spielen sich die 15 Mitglieder des Schulorchesters durch den bedrohlich ansteigenden vierten Satz der ersten Peer-Gynt-Suite, die Edvard Grieg nach Ibsens gleichnamigem Bühnenstück komponiert hat. Mit leisem Pizzicato kündigt sich das Unheil an. Dur und Moll wechseln einander ab, Tempo und Lautstärke schwellen an, treiben Peers Qualen schließlich auf den Höhepunkt, bis die Musik abrupt in sich zusammenfällt.

„Diesmal waren alle zusammen.“ Dirigent Matthias Simm ist zufrieden. „Die Schüler lernen gerade erst, aufeinander zu hören“, erklärt er. „Wenn sie in der Musikschule ihr Instrument spielen, sind sie Solisten. Hier im Orchester aber müssen sie sich zurücknehmen und auf die anderen eingehen.“ Wie schwer das ist, weiß Matthias Simm aus eigener Erfahrung. Als Klarinettist gehört er der Kammerakademie Potsdam an, die die Patenschaft über das noch im Wachstum begriffene Ensemble übernommen hat.

Seit diesem Schuljahr proben drei Musiker des im Nikolaisaal ansässigen Orchesters regelmäßig mit den jungen Instrumentalisten. Matthias Simm und seine Kollegin, die Flötistin Bettina Lange, üben mit den Bläsern. Violinistin Isabel Stegner hingegen leitet die Registerproben der Streicher, bevor am Ende alle zu einem Klangkörper verschmelzen und auch die Pauke zu ihrem Recht kommt.

„Es ist erstaunlich, welche Fortschritte das Orchester gemacht hat“, freut sich Musiklehrer Frank Siegmeier, der neben der Leitung der Schüler-Big-Band nun ein klassisches Orchester aufbaut. „Ohne die Kooperation mit der Kammerakademie würde ich das gar nicht schaffen“, sagt der Lehrer, der zwischen den Pulten „seiner“ Musiker hin und her läuft, unterstützend Einsätze gibt oder mit dem Finger auf „Achtungszeichen“ in den Noten zeigt. Er fiebert mit, spürt die Konzentration. „Man merkt, wie es immer mehr zusammengeht“, flüstert er und nennt es ein Gänsehautgefühl, wenn alle Musiker übereinstimmen.

„Anfangs war das grenzwertig“, erinnert sich Siegmeier an die ersten Proben, als es drunter und drüber ging, der eine laut, der andere leise spielte und die Einsätze „klapperten“. Die Profimusiker von der Kammerakademie aber hätten es geschafft, aus einer Gruppe eifriger Solisten tatsächlich ein Ensemble zu formen, in dem nicht gegeneinander, sondern miteinander musiziert werde.

Frank Siegmeier beobachtet, wie sich die im Ensemblespiel erworbenen Fähigkeiten auf das Lern- und Sozialverhalten der Schüler auswirken. „Sie können aufmerksam zuhören, sind still, wenn ein anderer etwas sagt, gehen darauf ein und kooperieren besser.“ In seiner eigenen, einer siebenten Klasse, in der nahezu alle Kinder ein Instrument spielen, könne er eine besondere Harmonie spüren, was nicht bedeute, dass es keine Konflikte gebe. Nur werden diese schneller und sehr respektvoll gelöst.

So auch im Orchester. Bei der Probe eines Klavierkonzerts von Joseph Haydn, in dem das Ensemble den Jungpianisten Ben Seegert aus der 6. Klasse begleitet, sind einige Streicher zu laut und spielen sich in den Vordergrund. Matthias Simm am Dirigentenpult ärgert sich darüber: „Wir sind nicht so wichtig, wir begleiten nur“, mahnt er zur Zurückhaltung und fordert die Schüler auf, genauer hinzuhören. „Theoretisch bräuchte ich gar nicht zu dirigieren. Ihr könnt fühlen, was ihr spielen müsst.“ Der Hinweis zeigt Wirkung. Für den zweiten Versuch gibt es ein Kompliment.

„Das ist es, was ich als Lehrer gar nicht vermitteln kann“, sagt Frank Siegmeier, der selbst Klavier spielt, aber keine Erfahrung als Orchestermusiker hat. „Dank der Kooperation können wir jederzeit bei den Proben der Kammerakademie im Nikolaisaal zuschauen oder in Workshops praktisch lernen. Auch das ständige Notenproblem der Schule hält sich seit der Zusammenarbeit in Grenzen, da die Profis über einen riesigen Fundus verfügen.

Bis aber die Musiker der Kammerakademie und des Schulorchesters ihr erstes gemeinsames Konzert geben können, wird noch einige Probenzeit ins Land gehen. Wie die Bigband so wird auch das neue Orchester mit wechselnden Besetzungen und einem ständigen Kommen und Gehen von Schülergenerationen zu kämpfen haben. Frank Siegmeier hofft deshalb auf weiteren Stimmenzuwachs und würde für die Proben auch gern vom beengten Musikzimmer in die Aula umziehen. Den Trollen „In der Halle des Bergkönigs“ könnte dies rein klanglich sicher mehr Entfaltung bieten.

Antje Horn-Conrad

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