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Von Harald Rohde: In der Hauptstadt beginnt die Weinlese

Berliner Trauben werden im Rheingau gekeltert: „Wilmersdorfer Rheingauperle“ bringt bis zu 50 Euro pro Flasche

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Berlin - Nicht nur an Rhein, Main und Mosel, auch auf kommunalen Rebäckern in der Hauptstadt kommt die Weinlese in Gang. Gestern wurden Trauben am Stadion Wilmersdorf eingebracht, wie Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) ankündigte. Gut eine Woche später beginnt voraussichtlich die Ernte am bekanntesten Berliner Weinberg, dem Kreuzberg. Auf den 10. Oktober ist der Lesetermin für den Humboldthain in Wedding festgesetzt, wo Trauben auf ihre Versektung warten.

Der Winzer Wilhelm Nikolai aus Erbach im Rheingau erwartet einen guten Jahrgang in der Hauptstadt - zumindest in Wilmersdorf, wo er sich in diesem Jahr um die Ernte kümmert. „Es hat hier weniger geregnet als bei uns im Rheingau. Die Qualität der Berliner Trauben ist sehr gut, jedenfalls haben sie im Schnitt nicht weniger Oechsle (Zuckergehalt) als bei uns“, sagt Nikolai. Der Ernteertrag aus Wilmersdorf wird jedes Jahr in den Rheingau gefahren und von dortigen Winzern gekeltert, ausgebaut und abgefüllt.

Der Wilmersdorfer Rebacker wurde 1984 an den Tribünenhängen des Stadions angelegt, auf mit Sand bedeckten alten Schutthalden. Winzer aus dem Partnerkreis Rheingau-Taunus hatten dem Bezirk seinerzeit 200 Rebstöcke geschenkt. Seither wurden jeden Herbst durchschnittlich 250 Kilogramm Trauben der Sorten Riesling und Ehrenfelser - eine Neuzüchtung aus Riesling und Silvaner- von den Stöcken geholt. Das reichte für etwa 320 Halbliter-Flaschen. „Bei Versteigerungen erzielte eine Flasche «Wilmersdorfer Rheingauperle« schon Spitzenpreise über 50 Euro“, erläutert Thiemen.

Auch die anderen Bezirke verlassen sich bei der Wein- und Sektbereitung auf die Hilfe von Winzerprofis. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg schickt sein Lesegut, das in der Regel gut 600 Flaschen roten und weißen „Kreuz-Neroberger“ hergibt, nach Ingelheim bei Mainz. Die Trauben vom Humboldthain, wo die Gärtner des Grünflächenamtes Mitte rund 200 Stöcke Grauburgunder, Pinot Blanc, Roten Malvasier und Perle von Czaba ziehen, kommen sofort nach der Lese zur Winzergenossenschaft Achkarren am Kaiserstuhl. Die Badener machen aus den Trauben Sekt. In normalen Jahren füllen sie rund 200 Flaschen „Humboldthainer“ ab. Die Genossenschaft hatte den Berlinern in den 1980er Jahren ebenfalls Rebstöcke geschenkt. Um die Pflege der Weinstöcke am Kreuzberg kümmert sich neuerdings der Weinjournalist Till Ehrlich. Der Vertrag mit der Kreuzberger Firma Hofgrün, die sich lange Jahre um Riesling, Kerner und Müller- Thurgau sowie die roten Sorten Blauer Portugieser, Dornfelder und Spätburgunder auf dem Hang gekümmert hatte, wurde vom Bezirksamt im letzten Frühjahr nicht verlängert. Im Handel sind die Berliner Weine nicht zu kaufen. Zumeist knallen die Korken, wenn die Flaschen an Jubilare oder Gäste der Bezirke verschenkt werden. Gegen eine Spende ist die eine oder andere Flasche aber auch in den Rathäusern zu haben – solange der Vorrat reicht.

Kreuzberg, Humboldthain und Stadion Wilmersdorf sind die bekanntesten Berliner Weinberge, aber es sind nicht die einzigen. So gibt es bereits seit 1973 in Neukölln ein Schulprojekt Weinbau. Hier beackern Schüler der Carl-Legien-Oberschule 400 Rebstöcke. Am Südosthang des Wasserturmplatzes in Prenzlauer Berg sind erst vor drei Jahren Weinstöcke gepflanzt worden.

Harald Rohde

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