Landeshauptstadt: In der Qualitätsfalle
Im Streit um die Potsdamer Schulentwicklung geht es um den dringenden Bedarf an mehr Schulplätzen, einen enormen Zeitdruck und große Geldnot. Wie künftig gute pädagogische Arbeit gewährleistet werden soll, wird dabei kaum diskutiert. Vier Beispiele
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Die Zeit drängt und die Geldnot ist groß: Bis zum Schuljahr 2020/21 soll die Zahl der Grundschüler um 22 Prozent auf 8500 ansteigen. Bereits in einem Jahr werden viel mehr Eltern als bisher eine Schule für ihre Kinder suchen – und die Stadt muss, so ist es ihr Auftrag, genügend Schulplätze anbieten. Das bedeutet, dass die Kapazitäten an einzelnen Schulen erhöht werden. Zum Schuljahr 2015/16 sollen die Grundschulen im Norden der Stadt, die Rosa-Luxemburg-Schule in der Innenstadt und die Schule am Pappelhain deswegen deutlich mehr Erstklässler aufnehmen als noch in diesem Jahr. Im Norden und im Zentrum regt sich dagegen lautstark Protest: Die pädagogischen Konzepte würden auf der Strecke bleiben, heißt es von den Schulkonferenzen. Doch angesehene und innovative pädagogische Profile zu bewahren, sind angesichts des hohen wirtschaftlichen Drucks (siehe Kasten) ein Luxusanliegen. Vier Beispiele aus dem Planungsprozess, bei dem andere Kriterien als Raumbedarfe auf der Strecke bleiben.
Die Rosa-Luxemburg-Schule
Mit dem Schuljahr 2015/16 soll die Schule in der Burgstraße vierzügig werden, also pro Jahrgang vier Klassen aufnehmen. Davon hat die Schule per Pressemitteilung erfahren. Die Schulleiterin Sabine Hummel ging bislang davon aus, dass erst in dem darauffolgenden Schuljahr die Erweiterung vorgesehen ist – so wie es in dem 250 Seiten starken Schulentwicklungsplan steht, den die Stadtverwaltung ihr aushändigte. Ein persönliches Gespräch habe es nicht gegeben, so Hummel. „Man hätte vorher mit uns reden sollen. Das ist nicht passiert“, kritisiert sie. „Das ist ein echtes Problem in der Stadt.“ Auch die Schulkonferenz monierte, dass keine pädagogische Kraft in der zuständigen Projektgruppe an der Erarbeitung des Schulentwicklungsplans beteiligt war. Dabei, so die Schulleiterin, sei es „viel Arbeit gewesen, die pädagogischen Strukturen aufzubauen“. Wie die Schule als Pilotschule für Inklusion mit rund 600 Schülern künftig weiterhin erfolgreich Behinderte integrieren soll, ist für die Schulleitung unklar. Zwar läuft derzeit die Sanierung eines Teils des Schulgebäudes, die bis November dieses Jahres abgeschlossen sein soll. Damit stehen der Schule mehr Räumlichkeiten zur Verfügung. Doch diese seien, so Hummel, lediglich als Klassenräume in die Berechnungen mitaufgenommen wurden. Beratungs- und Förderräume seien nicht berücksichtigt worden. „Dabei sind wir die einzige Schule, die Körperbehinderte aufnimmt“, sagt Hummel. In den kommenden Jahren stehen an der Rosa-Luxemburg-Schule weitere Bauarbeiten an. So soll ein Teil des Geländes abgetrennt werden und der bisherige Mensawürfel abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Die Schulkonferenz wehrt sich nun dagegen, dass, wie Hummel sagt, es nur darum gehe, „Kinder in die Schulklassen zu stopfen“. Die Schule hat eine Online-Petition verfasst – für eine stabile Dreizügigkeit und aus Angst vor einem Massenbetrieb. Doch viel Aussicht auf Erfolg besteht nicht. Schließlich, so der Werkleiter des Kommunalen Immobilien Service (KIS), Bernd Richter, seien die Räumlichkeiten an der Schule vorhanden.
Die Grundschule im Bornstedter Feld
Der Schulentwicklungsplan der Stadt sieht vor, auf dem Gelände an der Pappelallee eine „temporäre Erweiterung in Modulbauweise“, auf gut Deutsch containerartige, übereinandergestapelte Bauten für Klassenräume aufzustellen. Dagegen laufen Eltern und Politiker seit Monaten Sturm. Denn die vor zwei Jahren gegründete Schule befinde sich noch in der Profilierung. „Wir hatten noch nicht einmal die Chance, ein Konzept zu erarbeiten“, sagte Elternsprecher Daniel Wolkenstein bereits zum wiederholten Mal am Dienstag vor den Stadtverordneten im Bildungsausschuss. Die bisherige Arbeit am Schulprofil, so fürchten Elternvertreter und Schulleitung, wäre obsolet, würde ab dem kommenden Jahr die Schule um acht Klassen und 200 Kinder erweitert. Deshalb lautet der eindeutige Auftrag des Elternvertreters Wolkenstein an die Stadt: „keine Container an unserer Schule“. Immerhin zeichnet sich nun eine Lösung ab. Auf einem der Stadt gehörenden Grundstück an der David-Gilly-Straße könnten nördlich der Kita „Tönemaler“ ähnlich kostengünstig Module errichtet werden, in denen Hort oder Klassen untergebracht würden. Eigentlich war das Grundstück im Bornstedter Feld für den Bau eines Jugendklubs vorgesehen.
Die Montessori-Oberschule
Die Schule in Potsdam-West schlug vor, angesichts der hohen Nachfrage nach Gesamtschulplätzen ihr preisgekröntes Konzept der Montessori-Pädagogik auch auf die Sekundarstufe II, also die Abiturstufe, zu übertragen. Bislang endet die Schullaufbahn an der stark nachgefragten „Monte“ nach der zehnten Klasse. „Eine staatliche Montessori-Schule, die zum Abitur führt, wäre deutschlandweit einmalig“, sagte Schulleiterin Ulrike Kegler. Nach Prüfung der Stadt reicht das Gelände in der Schlüterstraße allerdings nicht aus, um dort elfte bis 13. Klassen unterzubringen und die Primarstufe zu erweitern. Schulleiterin Kegler könnte sich auch eine Ausgliederung der Sekundarstufe in ein anderes Gebäude vorstellen, doch die wird die Stadt nicht zur Verfügung stellen. Dabei unterstützen auch Politiker das Projekt: „Wenn ein pädagogisches Konzept stark nachgefragt ist, sollten wir es auch entwickeln“, sagt Johannes Baron von der Osten-Sacken (FDP).
Die Coubertin-Oberschule
Nachdem die Schule nach der Wende Gesamtschule wurde, ist sie nun seit einigen Jahren Oberschule. In relativ kurzen Zeiten seien im pädagogischen Prozess große Veränderungen nötig gewesen, sagt Schulleiterin Christiane Ohlert. Nun soll die Coubertin wieder Gesamtschule werden. Dabei sei das Konzept der Berufsvorbereitung, der individuellen Förderung und des Ganztagesbetriebs auf die Schülerschaft abgestimmt, so Ohlert. „Das zu zerschlagen und diese Kraft nicht zu nutzen, halte ich für dramatisch.“ Immerhin will die Stadt das berücksichtigen und entsprechend der neuen Schulform das Profil weiterentwickeln lassen. Doch, so Ohlert, der Unterschied zu einer Gesamtschule bestehe in der Schülerschaft – „und der Unterschied ist gewaltig.“ Für die Schule stehen damit erneut Zeiten großer Veränderungen an.
Im Internet mehr unter www.pnn.de/klasse
nbsp;Grit Weirauch
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