zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: In Gängen und Schlünden

Vom Sammelpunkt, dem übergroßen grellgrünen Stuhl vor dem Gasometer, werden die Zuschauer abgeholt. Mitarbeiter führen die kleinen Gruppen hinein in die Gänge und Schlünde des Theaters.

Stand:

Vom Sammelpunkt, dem übergroßen grellgrünen Stuhl vor dem Gasometer, werden die Zuschauer abgeholt. Mitarbeiter führen die kleinen Gruppen hinein in die Gänge und Schlünde des Theaters. In der Pförtnerloge, hinter der Garderobe, in der Schiffskneipe, im Sitzungszimmer: An den merkwürdigsten Plätzen kann jungen Dramatikern, alle noch Studenten, zugehört werden.

Der große Lastenaufzug ist für maximal 117 Personen oder 8800 Kilo ausgelegt. Nun wird er in den dritten Stock gesteuert. Ruckfrei. Auf der einen Seite die zehn Zuschauer, gegenüber, nur einen Meter entfernt, die kurze Aufführung. Eine Blondine zieht einen Kerl am Schlips in den Edelstahlschlauch. Sie spuckt Prosecco auf den Metallboden. In Jannis Klasings Stück ist der Nachtclub die Metapher für die Welt. „Was ist Liebe für dich?“ fragt er. Während er lautstark auf sie einredet, erfüllt ihr minutenlanger, gellender Schrei den Aufzugsschacht. Sehr dramatisch. In einem gelben LKW, der mitten auf einer Kreuzung geparkt ist, liest Dirk Laucke. Blutjung, wie alle diese Autoren. Student noch. Durch die offene Ladeöffnung sieht man auf die Straße und die roten Parallelschwünge, die Böhm junior an die Gasometerwand gepinselt hat. Davor, ein Schauspiel für sich, all die vorbeiziehenden Schaulustigen. Auf dem Weg zur Lesung im Büro der Chefdramaturgie. Dritter Stock, in dem alle Büros untergebracht sind. Die Gänge sind lang, fensterlos, verwinkelt und sehr schmal.

Überall die Farbe Rot. Rote Türen, roter Boden. Wie enge Blutbahnen. Könnte aggressiv machen. Oder beflügeln: Täglich roter Teppich für die Theatermacher. M. Hassenpflug

M. Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })