zum Hauptinhalt
Mitmachen. Interaktion wertet den Fernsehkonsum von Kindern auf.

© dpa

Homepage: In Maßen sinnvoll

Kinder können vom Fernsehen auch profitieren, meint die Potsdamer Sprachforscherin Sandra Niebuhr-Siebert

Stand:

Fernsehen, Computer und Videospiele sind aus dem Alltag der meisten Kinder nicht mehr wegzudenken. Erwachsene, die ihre Kindheit noch ohne Aufsicht mit Spielen auf der Straße verbringen durften, sehen das oft mit Sorge. Studien über sprachliche und motorische Defizite und Übergewicht von Kindern scheinen ihnen recht zu geben. Auch Sandra Niebuhr-Siebert, Leiterin und Dozentin des Studiengangs „Sprache und Sprachförderung in Sozialer Arbeit“ an der Hoffbauer Berufsakademie Potsdam, beschäftigt sich mit der Auswirkung einzelner Medien auf Kinder. Ihr Fazit: „Kinder können vom Fernsehen profitieren, wenn es in Maßen und überlegt genutzt wird.“ Trotzdem könne das Fernsehen darüber hinaus nur wenig bieten, was dem Nachwuchs nicht auch anders geboten werden könnte.

Niebuhr-Sieberts Forschungsschwerpunkte liegen in der Diagnostik und Förderung des Spracherwerbs, insbesondere von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen und Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen. Dazu gehört auch die Förderung der Lesekompetenz sowie die Erforschung medialer Wirksamkeit auf Spracherwerbsprozesse. „Kinder können ihre sprachliche Kompetenz durch das Fernsehen erweitern“, so die Wissenschaftlerin. Gerade Kinder, die die Sprache nicht gut verstehen, nutzen die Bilder zum Verständnis. Dafür müsse das, was sie sehen, mit der Sprache korrespondieren, was nicht bei bei allen Kindersendungen der Fall sei. „Der medial sprachliche Input muss dem Sprachentwicklungsstand des Kindes angepasst sein und die Inhalte sollten für das Kind relevant sein“, so Niebuhr-Siebert. Auch die Darbietungsdauer sei entscheidend: „Zu viele und schnelle Bildwechsel erschweren das Verständnis.“

Anders als in den USA, wo schon Säuglingen per DVD Wissen eingetrichtert werde, herrsche in Deutschland die eher medienkritische Einstellung vor, dass Kinder unter zwei Jahren ihre Zeit nicht vor dem Fernseher verbringen sollten. „Die Medienkompetenz ist in diesem Alter einfach noch nicht vorhanden“, so Niebuhr-Siebert. Selbst Dreijährige schauten oft hinter den Fernseher, um zu sehen, wo die Figuren blieben. Erst im Kontakt zu Medien entwickelt sich die Kompetenz, Medienformate zu verarbeiten. „Drei- bis vierjährige Kinder könnten sich bis zu 15, maximal 20 Minuten gut konzentrieren. Mehr Zeit sollten sie auch nicht vor dem Fernseher verbringen“, so Niebuhr-Siebert. Ob Kinder von den Fernsehsendungen profitieren, hänge unter anderem auch von der Erzählstruktur ab. „Kleine Kinder brauchen einen Erzähler, der sie durch die verschiedenen Situationen der Geschichte führt.“ Optimal sei es, wenn Kinder und Erwachsene gemeinsam fernsehen. So könnten Medieninhalte Ausgangspunkt für anregende Gespräche sein.

Für die sprachliche Entwicklung seien auch manche Trickfilme durchaus positiv zu bewerten. „Kinder konsumieren auf diese Weise die wohlformulierten Sätze der Kinderbuchsprache“, so Niebuhr-Siebert. Anders als beim Vorlesen könne das Tempo jedoch nicht dem Niveau des Kindes angepasst werden. „Interaktion ist immer die bessere Variante, aber Kinder, denen nicht vorgelesen wird, profitieren vom Fernsehen.“ Wir sollten die Medien so nutzen, dass Kinder Spaß daran haben und gleichzeitig davon profitieren, lautet dann auch Niebuhr-Sieberts Credo. Unterhaltende Informationssendungen wie „Löwenzahn“ oder „Die Sendung mit der Maus“ gehörten in die Kategorie hochwertiger Kindersendungen, die Informationen mit Unterhaltungselementen mischen. Insbesondere Aufforderungen zum Mitmachen wie Tanzen, Raten und Experimentieren nutzen Kinder gern.

Nachdenklich stimmen die Daten der KIM-Studie 2010 zum Freizeitverhalten der 6- bis 13-Jährigen, die im Auftrag des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest entstand. Fernsehen steht dort an erster Stelle der tatsächlichen Freizeitaktivitäten – gefolgt von Hausaufgaben und draußen spielen. Bei der Frage nach den liebsten Freizeitbeschäftigungen sieht die Reihenfolge überraschend anders aus: Am liebsten würden die Kinder ihre Freunde treffen und draußen spielen. Fernsehen steht nur an dritter Stelle. Maren Herbst

Maren Herbst

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })