Landeshauptstadt: In Partylaune
Feiern wollten sie alle, aber nicht für jeden gab es Grund zur Freude: Auf den Wahlpartys der Parteien
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Das erste Lachen bei den Mitglieder der Grünen setzt 18 Uhr ein: Die CSU-Ergebnisse aus Bayern sind eingetroffen. Am Wahlsonntag haben sich bereits rund 15 Grüne im Parteiquartier in der Jägerstraße eingefunden. Jürgen Stelter, Kandidat in den Neubaugebieten, ist optimistisch: „Vier bis fünf Sitze werden es.“
Bei den Linken beginnt die Party zunächst nur zögernd. Auf der Großleinwand im Linken-Büro in der Alleestraße läuft der CSU-Absturz in Bayern – ohne Ton. Davor sitzen Rentner in beigegrauen Jacken neben Jugendlichen in rot-schwarzer Kluft. „So radikal wie die Wirklichkeit“ steht auf einem T-Shirt. Es ist die zentrale Wahlparty des Landesverbandes. Aber bevor erste Zahlen feststehen, halten sich die etwa 100 Gäste zurück. Hans-Jürgen Scharfenberg, der Fraktionsvorsitzende in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, kürt unterdessen einen „Helden des Wahlkampfes“ – nämlich seinen Wahlkreismitarbeiter Ingo Korne, der ein Wellnesswochenende in Warnemünde für zwei Personen spendiert bekommt. Doch dann fällt das Mikro in der Alleestraße plötzlich aus. 19.15 Uhr macht sich eine Gruppe um Scharfenberg ins Stadthaus auf – für ein Fernseh-Statement. Dort gibt es eine Überraschung: Bei 41 Prozent liegen die Linken nach Auszählung der ersten drei Wahlbezirke. „Das wäre die Revolution“, raunt einer – während Linken-Kreisvorsitzender Pete Heuer vor vorschnellen Einschätzungen warnt. Die Technik im Stadthaus überzeugt schließlich. Ab neun Uhr sind die Linken fast komplett in die Eberstraße umgezogen.
„Cottbus macht Mut!“ ist derweil das Motto der Potsdamer SPD, die im Regine-Hildebrandt-Haus in der Alleestraße die Potsdamer Ergebnisse verfolgen. Die südbrandenburgische Stadt hat gegen 19 Uhr vorgelegt: Sieg auf ganzer Linie für die SPD! Ähnliches bewahrheitet sich in Potsdam anfangs nicht. Beim ersten Wahlbezirksergebnis aus dem Kirchsteigfeld bleibt der Jubel bei den rund 60 Sozialdemokraten noch verhalten: der Sieg geht eindeutig an die Linkspartei. „Aber die Linke hat minus zehn, wir haben plus sieben“, schreit SPD-Stadtchef Mike Schubert auf den Hof. Hoffnungsvoller Applaus ist die Antwort. Bei den Folgeergebnissen gibt Schubert dann nur noch die Gewinne und Verluste zum Besten – fast immer kann die SPD gegen den ärgsten Widersacher Linkspartei punkten. Der Funken einer Hoffnung macht sich breit bei Gegrilltem, Bier und Wein: Gesamtsieg in Potsdam. Ausschlaggebend für diese Stimmungsschwankung ist vor allem das erste Innenstadtergebnis aus der Kurfürstenstraße: Sieg für die SPD. „Jetzt sterben die Linken!“, frohlockt der Jugendtisch bei der SPD-Party.
Im Plenarsaal des Stadthauses wird es unterdessen lauter und lauter. „Und der Oberbürgermeister sagt immer noch, es gebe kein Nord-Süd-Gefälle in der Stadt“, ruft Lutz Boede laut in den leer geräumten Saal. Hier feiert die Wählergruppe Die Andere mit mitgebrachtem Sternburg Urtyp und geschmierten Käsebrötchen, flankiert von Mitarbeitern der Stadtverwaltung, den Genossen der Linken und einigen Christdemokraten. Auf der Großleinwand sieht man Potsdams Wahlkreise, darin viele Punkte für die einzelnen Wahlbezirke. Mit der Zeit steigt die Spannung. Sobald ein Wahllokal ausgezählt ist, färbt sich ein Punkt in der Farbe des Siegers. Die Neubaugebiete im Süden sind übersät mit dunkelroten Flecken, im Norden siegt mehrheitlich die SPD. An einer Seite stehen Brian Utting und Mitglieder seiner Familienpartei, freuen sich über ihr Ergebnis.
„Wir haben das Wahlziel verfehlt“, sagt derweil Potsdams CDU-Chefin Katherina Reiche nach der Auszählung von 79 der 134 Potsdamer Wahlbezirke. Sie konstatiert „Verluste“ in Potsdam. 11,4 Prozent hatten die Christdemokraten zu diesem Zeitpunkt in der Landeshauptstadt. Katherina Reiche: „Wir folgen dem Landestrend nach unten.“ Nur schwer können die Potsdamer Christdemokraten auf ihrer Wahlparty im Café Heider die sich abzeichnende Wahlschlappe realisieren. Nach Auszählung der ersten Wahlbezirke liegt das vorläufige Wahlergebnis bisweilen im einstelligen Bereich. „Das wird noch“, macht Ex-Fraktionschef Steeven Bretz sich und anderen Mut. Welche Hoffnungen da gestern Abend platzen, macht die Wahlprognose von CDU-Stadtfraktionschef Michael Schröder: 20 Prozent hatte er für seine Partei angepeilt, also zwölf Mandate. Die Realität sieht anders aus: Lediglich auf sechs Sitze kommt die CDU laut den Ergebnissen nach Auszählung von 118 Wahlbezirken. Katherina Reiche selbst erklärt, sie habe in den wenigen Wochen seit ihrer Wahl einen großen Einsatz gezeigt. Sie denke aber nicht, dass der Wahlausgang entscheidend mit ihrer Person in Verbindung gebracht werden könne. Die CDU, so Reiche, habe Stimmen an FDP und Bürgerbündnis verloren.
Katerstimmung herrscht aber auch beim Bürgerbündnis auf dem Restaurantschiff „John Barnett“, die einen immensen Wahlkampfaufwand betrieben hatten. „Traurig finde ich vor allem die geringe Wahlbeteiligung“, sagt ihr Stadtverordneter Wolfhard Kirsch. Jubel dagegen bei der FDP in der „Sandbar“: In der ehemaligen Seerose feiern die Liberalen, dass sie wohl mit drei Stadtverordneten einzieht. Und bei den Grünen ist der Jubel über die Fraktionsstärke sowieso riesig. Sektkorken knallen – und Jürgen Stelter hat wohl Recht behalten. NIK/gb/JaHa/KG/ HK
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