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Sport: In Potsdam heimisch geworden

Der frühere Fußball-Profi Jens Todt plant an der Havel derzeit seine berufliche Zukunft

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Der frühere Fußball-Profi Jens Todt plant an der Havel derzeit seine berufliche Zukunft Von Thomas Gantz Potsdams Schönheit hat sich Jens Todt längst erschlossen. Als der auffällige Mittdreißiger gestern vor Arbeitsbeginn im Café Heider vorbei schaute, benannte er ohne Zögern seine drei Lieblingsorte in der Landeshauptstadt. Die Namen und deren unterschiedliche Gewichtung weisen ihn als Genussmenschen aus, der während der vergangenen zehn Monate die ortstypische Lebensqualität verinnerlicht hat. Er besucht an Sonnabenden regelmäßig den Markt am Nauener Tor. Sein Lieblingsrestaurant ist das „mea culpa“ in der Dortustraße. Gemeinsam mit Ehefrau Imke und den Töchtern Lotta (6 Jahre) und Emma (zehn Monate) ist er zudem oft und gern im Neuen Garten unterwegs. Eher unbewusst begab es sich, dass Jens Todt bald nach Beendigung seiner bemerkenswerten Karriere als Fußball- Profi seinen Lebensmittelpunkt in Potsdam fand. „Wir haben, als ich im Juli 2003 bei Hertha BSC als Chefscout anfing, etwas im Grünen gesucht und sind im Oktober in der Nauener Vorstadt fündig geworden“, erzählt er. Sein berufliches Dasein beim Berliner Bundesligisten war nur von elfmonatiger Dauer. Todt bereiste als Spielebeobachter binnen sechs Monaten 25 Länder, hockte einmal bei Hundewetter in Tschechien auf einer verrosteten Tribüne und fragte sich beim Betrachten eines Spieles, ob dies nun wirklich seine Passion sei. Jens Todt verneinte dies schließlich und entschied sich, mehr Zeit für die Familie haben zu wollen. Er erarbeitete sich somit nochmals eine gesunde Distanz zum Berufsfußball. Von 1991 bis 1996 hatte der lauf- und kopfballstarke Mittelfeldspieler maßgeblichen Anteil am deutschlandweit anerkannten sportlichen Emporkommen des SC Freiburg. Im Breisgau erlebte er nach eigener Wertung seine sportlich erfolgreichste Zeit. Wie groß Todts Reputation dort auch heute noch ist, weiß SC-Manager Andreas Bornemann zu berichten: „Als wir im vergangenen Mai als Verein unseren hundertsten Geburtstag feierten, hatten wir unsere Fans gebeten, aus ungefähr fünfzig Kandidaten ihr Dream- Team zu formieren. Der Jens hat sich mit hohem Stimmanteil seinen Platz gesichert und ist auch heute noch immer wieder gern gesehener Gast in Freiburg. Er war und ist als Sportler und Mensch hundertprozentig korrekt.“ Nach der Europameisterschaft 1996, zu dessen Endspiel der damalige Bundestrainer Berti Vogts Jens Todt nach einer Verletzung des damaligen Dortmunders Steffen Freund nachnominierte und zur Sicherheit eigens nach London einfliegen ließ, wechselte Todt zum SV Werder Bremen, 1999 dann zum VfB Stuttgart. Nach insgesamt 208 Bundesligaspielen, in denen er 21 Tore erzielte, setzte ein Knorpelschaden im Sprunggelenk im Frühjahr 2003 den Schlusspunkt. Bemerkenswert: Jens Todt, gemeinsam mit Marco Bode, Thomas Helmer und Schalkes Paradiesvogel Yves Eigenrauch in den Neunzigern intelligenter Charakterkopf der Fußball-Bundesliga, beendete trotz laufenden Vertrages bis 2004 von sich aus die einträgliche Zusammenarbeit mit dem VfB Stuttgart. Er hatte zuvor vieles versucht, zwei spezielle Therapien schlugen jedoch nicht wie gewünscht an. Im Blick zurück wertet Todt dies mit der ihm eigenen Art: „Ich hatte mich auch immer schon für Dinge interessiert, die mit Fußball nichts zu tun haben. Der Abschied fiel mir so viel leichter als etlichen anderen Profis.“ Jens Todt strebte schon immer ein wenig in Richtung Journalismus. Schon zu seiner Freiburger Zeit schrieb er für das ortsansässige Fußballmagazin „Hattrick“, das sich ohne wirtschaftlich starken Verlag in der Hinterhand zum Bedauern vieler Leser nicht am Markt behaupten konnte. Später absolvierte er bei der in Hamburg erscheinenden Wochenzeitschrift STERN ein Praktikum, derzeit arbeitet er im Hauptstadtbüro des SPIEGEL, wo er unlängst mit sechs Kollegen eine erschöpfende Analyse des Schiedsrichter-Skandals um Robert Hoyzer erstellte. „Das ist jetzt meine Welt, die aktive Zeit als Fußballer ist doch schon weit in den Hintergrund gerückt. Sie war ein wichtiger und prägender Teil meines Lebens. Mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen.“ Knapp zwei Jahre nach Beendigung seiner sportlichen Laufbahn beobachtet Jens Todt „sehr intensiv“ die Geschehnisse rund um die drei Bundesligisten, für die er gespielt hat. Stolz schwingt mit, wenn er davon erzählt, wie er 1999 mit Werder Bremen im Duell mit dem FC Bayern München DFB-Pokalsieger wurde. „Oliver Kahn hatte damals im Elfmeterschießen meinen Ball gehalten. Zum Glück verschossen nach mir Lothar Matthäus und Stefan Effenberg.“ Jens Todt lächelt und bricht wenig später auf, um in der Berliner Friedrichstraße seinem Tagwerk nach zu gehen. Alles richtig gemacht und zudem auch stets vom Glück begünstigt – so könnte man dies deuten. Sein bislang einziger Besuch im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion liegt fünfeinhalb Jahre zurück, als er einmal mit dem SV Werder in Freundschaft gegen den SV Babelsberg 03 spielte. Ein Besuch eines SVB–Heimspiels ergab sich aus Zeitmangel noch nicht. Familie Todt will in Potsdam bleiben. Tochter Lotta wird bald eingeschult, Vater Jens will bis dahin Kontur in seine berufliche Zukunft gebracht haben. Davon, wie gut es sich in der Nähe des Heiligen Sees leben lässt, haben sich unlängst erst Marco Bode und Pablo Thiam, in Berlin lebender Profi des VfL Wolfsburg, überzeugt. „Wir haben in Bremen beziehungsweise Stuttgart gemeinsam gespielt und sind gute Freunde geblieben.“ Was Todt noch an Potsdam schätzt? „Ich habe hier meine Ruhe. Bislang bin ich hier erst zweimal erkannt und auf meine Vergangenheit als Fußballer angesprochen worden.“

Thomas Gantz

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