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Landeshauptstadt: Inschriften in der Gefängnistür

Im Lindenhotel werden die Leiden der Opfer von 1945 bis 1952 sichtbar

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Der Platz, an dem die Spuren des Leids sichtbar werden, liegt in der Dunkelheit des Kellers. Ein Latrinenkübel steht auf dem kalten Steinfußboden neben verwitterten Rohren. In die Zellentür ist eine verzweifelte Inschrift geritzt: 25 Jahre. „Das war damals ein häufiges Urteil“, sagt Hannes Wittenberg, der Museumsleiter der Gedenkstätte Lindenstraße 54.

Damals, von 1945 bis 1952, nutzte der sowjetische Geheimdienst NKWD das so genannte „Lindenhotel“ in der Potsdamer Innenstadt als Gefängnis und Tagungsort eines Militärtribunals. Im Februar soll ein Teil des Kellers, der als Wirtschaftsbereich errichtet und vom NKWD zum Zellentrakt umgebaut wurde, mit einer erweiterten Ausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bisher war der Keller nur zeitweilig geöffnet, über das Gefängnis in den Nachkriegsjahren war bisher wenig bekannt.

Wittenberg hofft, dass „die Geschichte erlebbar wird“. Viele Einzelschicksale sollen die menschlichen Leiden zeigen. An den Wänden wird ein „Band des Erinnerns“ angebracht. Eine große Wand zeigt Fotos der NKWD-Opfer, um der Geschichte ein Gesicht zu verleihen. „Es sind viele junge Gesichter“, sagt Wittenberg. Nach jahrelangen Recherchen sind viele Berichte und Schilderungen von Zeitzeugen in die Arbeit eingeflossen.

Erneuert wird derzeit auch der Eingangsbereich des sogenannten Lindenhotels. Bisher betraten die Besucher die Ausstellung durch einen schmalen, unübersichtlichen Gang. Nun beginnt der Rundgang an der Original-Pforte und öffnet sich nach der Passage einer ehemaligen Sicherheitstür zu einem kleinen Besucherfoyer. „Man spürt jetzt sofort, dass man ein ehemaliges Gefängnis betritt", sagt Wittenberg.

Im neuen Foyer sollen Gäste auch mit Informationen zur Geschichte des Hauses in der Potsdamer Innenstadt versorgt werden: Bereits 1817 zog neben der ersten gewählten Potsdamer Stadtverordnetenversammlung auch das Stadtgericht ein. Seitdem gab es eine Haftanstalt auf dem Grundstück, das während der Nazi-Diktatur als Erbgesundheitsgericht (1935-1940) genutzt und damals bereits zum Gefängnis für politische Gefangene umgebaut wurde. Von 1952 und 1989 saßen hier mehr als 6800 Menschen im Stasi-Untersuchungsgefängnis ein.

Nun runden die Schicksale von 1945 bis 1952 die Ausstellung ab – so wie beispielsweise die Geschichte von Erwin Köhler, Potsdams erstem Bürgermeister und seiner Ehefrau, die beide 1950 verhaftet, in der Lindenstraße verhört und 1951 in Moskau erschossen wurden. Jahrelang suchten die Kinder vergeblich nach den Eltern. Bis heute wird die Aufarbeitung solcher Leidenswege behindert. „In Russland sind die Archive immer noch geschlossen“, berichtet Wittenberg. Bei der Geschichtsaufarbeitung half auch eine Spende der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam. „Es ist ein düsteres Kapitel, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Die Gedenkstätte dokumentiert das Leid zu Unrecht Inhaftierter und macht die Ursachen deutlich“, sagt Andrea Aulich, Marktdirektorin Privatkunden Potsdam der MBS. Mit Erfolg: „Der Kreis der Geschichte schließt sich jetzt“, freut sich Wittenberg. bou

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