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Landeshauptstadt: „Intelligenz statt Beton“

BUND klagt gegen den Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals – „das unsinnigste Projekt Deutschlands“

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Marquardt - Fristgerecht hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am vergangenen Donnerstag Klage gegen den Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Der BUND und der die Klage unterstützende Naturschutzbund (Nabu) begründen die Klage mit negativen ökologischen Folgen des Projekts bei gleichzeitigem Fehlen einer Bedarfsanalyse. Im Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vom 17. Juli – der Erteilung des Baurechts – gebe es „keine einzige Zahl“, erklärte gestern Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin, bei einer Pressekonferenz von BUND und Nabu in Potsdam. Es fehle eine Prognose über das künftige Binnenschifffahrtsaufkommen, die den Bedarf für den Havelausbau belege. Es gäbe zudem keine Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Wirtschaftlichkeit des Projekts belege. Damit verstoße der Havelausbau gegen geltende Bundeshaushaltsgrundsätze. Ferner fehle ein Alternativplan mit der Fragestellung, ob und wie ein ökologisch verträglicher Ausbau möglich ist. Heuser: „Jede neue Kreisstraße, jedes neue Gewerbegebiet wird mit Prognosen begründet und mit Alternativplanungen abgewogen.“

Die Kosten für das 1992 auf den Weg gebrachte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17, dem Ausbau der Binnenschifffahrtsverbindung zwischen Rühen am Mittellandkanal in Niedersachsen über Magdeburg nach Berlin werden mit etwa 2,3 Milliarden Euro angegeben. Allein der Ausbau des 12,7 Kilometer langen Sacrow-Paretzer-Kanals im Norden Potsdams soll 65 Millionen Euro kosten.

1992 wurde von einem jährlichen Frachtaufkommen von 14 Millionen Tonnen von und nach Berlin ausgegangen. Aktuelle Prognosen sehen dagegen nur einen Bedarf von 2,6 Millionen Tonnen. Daher sei der Ausbau von Havel und Spree „das vielleicht unsinnigste Projekt Deutschlands“, so der BUND-Mitarbeiter. Nach dem Bau der Trogbrücke in Magdeburg könnten bereits seit 2004 mit 1350 Tonnen Nutzlast voll beladene Europaschiffe fahren. In den meisten Streckenabschnitten kämen diese 9,50 Meter breiten Schiffe auch aneinander vorbei. Derzeit würden nicht mehr als 400 Schiffe pro Jahr den Sacrow-Paretzer-Kanal befahren – da könne sich jeder ausrechnen, wie oft sich die Schiffe begegnen. Die Bahn würde bei ähnlich niedriger Begegnungshäufigkeit von Zügen „sofort das zweite Gleis rausreißen“, so Heuser. Mit Hilfe einer modernen Telematik-Lösung, wie sie bei der stärker frequentierten Mittelweser angewendet werde, könnte verhindert werden, dass sich Schiffe an zu schmalen Stellen begegnen. „Intelligenz statt Beton“ sei das bessere Motto.

Der BUND rechnet mit einem zehn bis zwölf Monate langen Hauptsacheverfahren. Parallel dazu sei ein Eilverfahren beantragt worden, welches hinsichtlich des Baubeginns eine aufschiebende Wirkung habe. Heuser zufolge sei die Klage das erste Verfahren gegen Flussausbauten seit zehn bis fünfzehn Jahren. Obwohl daher juristisches Neuland betreten werde ist der BUND laut Heuser zuversichtlich, das Verfahren zu gewinnen. Auch politisch könnte der Kanalausbau noch gestoppt werden, hofft Heuser: „Es gibt niemanden im Bundestag, der sagt, wir brauchen das unbedingt.“ Guido Berg

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