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PRO & Contra: Ist der Maßnahmekatalog gegen Graffiti verhältnismäßig?

PRO & Contra Graffiti sollen erfasst und katalogisiert, die Schmierereien schnellstens beseitigt und sofort zur Anzeige gebracht werden. Das gestern vorgestellte Aktionsprogramm gegen die unsägliche Verunstaltung des Potsdamer Stadtbildes durch Graffiti kommt viel zu spät – war aber mit den nun angedrohten Konsequenzen für Täter erst jetzt in dieser Form möglich.

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PRO & Contra Graffiti sollen erfasst und katalogisiert, die Schmierereien schnellstens beseitigt und sofort zur Anzeige gebracht werden. Das gestern vorgestellte Aktionsprogramm gegen die unsägliche Verunstaltung des Potsdamer Stadtbildes durch Graffiti kommt viel zu spät – war aber mit den nun angedrohten Konsequenzen für Täter erst jetzt in dieser Form möglich. Erst seit ein paar Wochen ist es nämlich möglich, schärfer gegen Sprayer vorzugehen. Musste früher nachgewiesen werden, dass Graffiti die Gebäudesubstanz schädigten, kann jetzt allein die Schmiererei schon strafbar sein. Die Sprayer müssen nun also damit rechnen, dass sie aufgrund der Katalogisierung schneller erwischt werden und müssen zudem auch noch mit einer Bestrafung rechnen. Dies dürfte entweder von vornherein eine abschreckende Wirkung haben bzw. für die Unbelehrbaren Konsequenzen mit sich bringen. Das ist eine neue Qualität, die nur begrüßt werden kann. Bislang war es doch so, dass die Sprayer kaum fürchten mussten, für ihre „Wandmalereien“ zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dies hatte auch zur Folge, dass es keinerlei Unrechtsbewusstsein bei den Tätern mehr gab, somit kriminelle Karrieren durchaus gefördert wurden. Doch ist das Anti-Graffiti-Programm der Stadt nicht allein darauf angelegt, zu bestrafen. Vielmehr wird mit der angestrebten schnellen Beseitigung der Graffiti dem Hauptanliegen der Sprayer – nämlich mit ihrer (angeblichen) Kunst aufzufallen und Botschaften zu übermitteln – der Boden entzogen. Die Sprayer sollen einfach die Lust am Sprayen verlieren. Weil ihre Botschaften ohnehin niemand wahrnimmt, aber auch weil die Gefahr der Strafe droht. Dafür taugt das Programm der Stadt. M. Erbach Die Analyse und systematische Erfassung von Graffiti sowie schärfere Gesetze sollen Potsdam in eine Stadt ohne Schmierereien verwandeln. Ein kühner Plan, der aber übersieht, wie viele der zumeist jugendlichen Sprayer ticken. Vielen von ihnen geht es – wie schon in den Anfangszeiten der Graffitiszene – um die Rückgewinnung von öffentlichem Raum, um den Kampf gegen tristes Grau, auch um die Gewinnung von eigenem Ego in Zeiten von Perspektivlosigkeit. Leute, die in der Szene aktiv sind sagen: „Je mehr wir verfolgt werden, desto schlechter sehen unsere Bilder aus, weil keine Zeit mehr da ist um zu sprayen.“ Logisch, dass durch die Stigmatisierung von Graffiti als bloßer Schmiererei gleichzeitig auch die Sprayer immer weniger für die Argumente der Mehrheitsgesellschaft zugänglich werden. Deswegen wäre es sinnvoller, es würde kein Geld für eine Graffitilandkarte von Potsdam ausgegeben, sondern ein Jugendprojekt ins Leben gerufen und gefördert, dass einen Teil der Sprayerszene wieder in die Mitte der Gesellschaft holt und nicht kriminalisiert. Solch ein Projekt könnte über Kooperationsverträge und Vereinbarungen Wandflächen aquirieren, an denen sich die jungen Sprayer-Künstler nach Herzenslust austoben können. Dies hätte zwei positive Effekte: Die Jugendlichen müssten sich nicht mehr wie Verbrecher vorkommen, wenn sie eine Sprühdose in die Hand nehmen, dazu würde die Stadt mit fantasievollen Motiven sicherlich ein noch freundlicheres Image als jetzt bekommen. Für Sprayer, die trotz eines solchen Jugendprojekts immer noch weiße Hauswände beschmieren, müssen dann aber die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden – diese reichen aus. H. Kramer

M. Erbach

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