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Ausgesprochen KAPUSTE: Ja, es schmeckt

Ich mag die Potsdamer Gastronomie. Wenn nur nicht die hochnotpeinlichen Befragungen wären!

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Ich mag die Potsdamer Gastronomie. Wenn nur nicht die hochnotpeinlichen Befragungen wären! So nannte man früher Torturen, mit denen man Geständnisse im Sinne des Befragers herausquetschte. Ich meine dieses ständige „Schmeckt's?“, „Hat's dem Herrn geschmeckt?“, „Alles zufrieden?“. Während des Essens, nach jedem Gang, beim Abräumen. Mal fragt die Bedienung desinteressiert, aus reiner Routine, oft aber auch eindringlich, fast inquisitorisch, so wie es Loriot mit der Kalbshaxe „Florida“ erging. Zwar ist mein „Ja!“ fast immer ein ehrliches „Ja!“, weil das Essen schmeckt, es lügt aber, wenn das Huhn zu viele Flugstunden hinter sich gebracht hat oder wenn die Spaghetti nicht „al dente“, sondern „al matsch“ sind und an sich zurückgegeben werden müssten. Dann lüge ich aus Feigheit oder weil die Kellnerin hübsch ist oder weil ich dem gehetzten Kellner keinen Kummer bereiten möchte. Manchmal auch, weil ich befürchte, der Koch bekäme eins auf den Deckel und an seiner Stelle versemmelt dann der Hilfskoch den nächsten Gang. Schon beim Verlassen des Lokals ärgere ich mich über mein Verhalten und nehme mir vor, beim nächsten Mal tapfer zu sein.

Und dann die Schwierigkeiten mit der Anrede. Früher sagte man „Fräulein“ oder „Herr Ober“. Das ist, weil angeblich politisch unkorrekt, passé. Leider ohne Ersatz. Was also tun? „Hallo!“ wäre unhöflich, und die Namen des Personals kennt man selten. Bleibt nur der Augenkontakt und/oder auffällige Körperzuckungen, um auf sich aufmerksam zu machen, wenn man einen Wunsch hat oder zahlen will, und nicht lauthals „Die Rechnung bitte!“ plärren mag.

Ein freundliches, einmaliges „Hat es Ihnen geschmeckt?“ geht meinetwegen in Ordnung. Ansonsten lautet meine Faustformel: Wird oft und eindringlich gefragt, ob es denn schmecke, dann ist Vorsicht geboten. Das Essen soll vermutlich schöngeredet werden. In einem guten Restaurant hingegen weiß man selbstbewusst, dass das Angebot nicht anders als gut sein kann. Warum also noch fragen?

Zum Abschluss noch eine Frage an die verehrten Leserinnen und Leser: War mein Artikel nach Ihrem Geschmack? Sollten Sie eventuell ein „Nein“ erwägen, so bedenken Sie bitte: Ich bin ein sehr empfindlicher Mensch.

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

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