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Aus dem GERICHTSSAAL: Jacke als Pfand „abgezogen“

Anklage wegen räuberischer Erpressung nicht aufrechterhalten

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Aus dem GERICHTSSAALAnklage wegen räuberischer Erpressung nicht aufrechterhalten Nach Abschluss der Beweisaufnahme fällt die Anklage gegen Sebastian V. wegen räuberischer Erpressung wie ein Kartenhaus zusammen. Was bleiben sind vorsätzliche Körperverletzung und Nötigung, begangen an dem damals 17-jährigen Heiko M. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Dr. Birgit von Bülow hat drei Versionen des Tatgeschehens zur Auswahl. Es entscheidet sich für die Geschichte des Angeklagten. Und die klingt so: Am 7. Januar 2002 trafen Sebastian V. (24) und sein Kumpel Stephan S. (26) in der Straßenbahn auf Heiko M., der Stephan 160 Mark aus einem Drogengeschäft schuldete. Erst gab es ein Wortgefecht zwischen Stephan und Heiko, dann eine Rangelei, in deren Verlauf der Angeklagte dem Schuldner, den er lediglich vom Sehen kannte, zwei Schellen verpasste. Am Platz der Einheit zog Stephan S. den schmächtigen Heiko aus der Straßenbahn, forderte dessen nagelneue Jacke als Pfand, die das Opfer aus Angst herausgab. „Hätte er uns das Geld am Nachmittag – wie versprochen – gebracht, hätte er die Jacke wieder bekommen“, versichert der Angeklagte. „Sebastian wollte meine Jacke abziehen. Als ich mich weigerte, schlug er mir mit der Faust in Gesicht. Stephan hat lediglich dabei gestanden“, erzählt Heiko M. im Zeugenstand. Dass er Stephan S. Geld schuldete, bestreitet er entschieden. „Ich habe damals auch viel Scheiße gebaut, mit Drogen gehandelt und geklaut. Dafür saß ich 17 Monate im Gefängnis. Mit Stephan oder Sebastian habe ich allerdings keine Geschäfte gemacht.“ Sebastian V.und Stephan S.– zum Tatzeitpunkt noch gute Kumpels – reden heute kein Wort mehr miteinander. Im Zeugenstand belastet er den Angeklagten. „Sebastian gab Heiko 160 Mark. Er sollte ihm dafür Ecstasy besorgen, allerdings ist er mit der Summe verschwunden.“ Als man den Jugendlichen zufällig in der Straßenbahn erblickte, habe der Angeklagte dessen Jacke als Ausgleich für das Geld verlangt, Heiko M. zuvor die Lippe blutig gehauen, so die dritte Variante. „Wer letztendlich Anspruch auf die Summe hatte, konnte nicht bewiesen werden“, befindet das Gericht und sanktioniert den arbeitslosen Sebastian V. nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je zehn Euro. (Stephan S. wurde in einem früheren Verfahren zur Ableistung von 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.)

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