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Ausgesprochen KAPUSTE: Jagd- Saison

Die Touristen strömen nach Sanssouci. An den Wochenenden stauen sie sich in der unübersichtlichen S-Kurve unterhalb der Mühle zu dichten Klumpen, um einen günstigen Moment für einen Sprint zur gegenüberliegenden Seite zu erhaschen.

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Die Touristen strömen nach Sanssouci. An den Wochenenden stauen sie sich in der unübersichtlichen S-Kurve unterhalb der Mühle zu dichten Klumpen, um einen günstigen Moment für einen Sprint zur gegenüberliegenden Seite zu erhaschen. Das setzt bei uns Autofahrern in Jahrtausenden antrainierte Jagdinstinkte frei, vor allem wenn wir aus dem Westen über die Maulbeerallee einfahren. Die katastrophale Pflasterung und die Geschwindigkeitskontrollen der Polizei zwingen zu niedrigem Tempo, und so kommt es zu einem Aggressionsstau, der raus muss. Da macht es Spaß, an den sprungbereit an den Seiten stehenden Sanssouci-Besuchern vorbeizurauschen. Doch wir sind auch zu Spielchen bereit.

Eines geht so: Man verringert kurz vor den Touristen die Geschwindigkeit und wenn die Ersten los springen, gibt man Gas. Kaum zu glauben, wie fix die Leute in ihre Ausgangsstellung zurückflüchten, selbst betagte Senioren. Dann ist da noch die „Zieten aus dem Busch“-Variante (Zieten, Reitergeneral Friedrichs des Großen): Ein Auto hält und wenn sich die Touristen in Bewegung setzen, prescht ein dahinter verborgenes Fahrzeug, es kann auch ein Motorradfahrer sein, nach vorne und treibt sie in heilloser Flucht zurück. Schwierig ist die „schiefe Schlachtreihe“ (mit ihr hat der Alte Fritz 1757 bei Leuthen bravourös gewonnen): Ein Auto fährt langsam heran, links dahinter seitlich gestaffelt ein zweites. Dann wissen die Leute auf beiden Seiten überhaupt nicht mehr, was Sache ist.

Jeder von uns Autofahrern hatte anfangs auch mal ein weiches Herz, hat angehalten und 20 kostbare Sekunden vertrödelt. Doch nur einmal. Das liegt an den Leuten, die diese Gunst durch betont langsames Gehen missbrauchen und einen dabei auch noch herausfordernd anblicken. Anders die Japaner, sie sind immer fröhlich und flink – wie ihre Fußballerinnen.

Ein Vorschlag, um zu einer friedlichen Koexistenz von Autofahrern und Touristen zu kommen: Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sorgt an der S-Kurve dafür, dass sich ihre Besucher unter Aufsicht von als preußische Grenadiere verkleideten Studenten ordentlich zu einer Art Schlachtordnung aufstellen. Naht kein Feind - äh, kein Auto –, so intoniert der dort postierte Flötenspieler den „Fridericus-Rex-Marsch“ und die Touristen überqueren diszipliniert die Straße. Das Ganze könnte bestimmt zu einem Event ausgebaut werden.

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

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