Von Peer Straube: Jakobs wählen – aus „Gewohnheit“
Ein Stimmungsbild vor der Wahl zeigt, dass das Image des Amtsinhabers besser ist als mancher denkt
Stand:
Gut zwei Wochen noch, dann wählt Potsdam einen neuen Oberbürgermeister. Die Wahlplakate hängen, die Kandidaten buhlen um die Stimmen, jeder will im besten Licht erscheinen. Doch sind die Potsdamer überhaupt in Stimmung für die Wahl? Eine Spurensuche quer durch die Stadtteile.
WALDSTADT II, 10.40 UHR
Ein normaler Vormittag am Waldstadt-Center. Ein paar Rentner huschen mit Einkaufsbeuteln herum, ansonsten ist wenig Betrieb. Roman Bierkandt belädt seinen Kofferraum – die Nase hat er schon voll: „Für mich sind die alle verlogen“, knurrt er missmutig. „Ich gehe nicht zur Wahl – es ändert sich ja doch nichts.“ Ein paar Schritte weiter betrachtet Helga Henning die Ware an einem Blumenstand. „Natürlich ist die Wahl ein Thema, wenn man hier wohnt“, sagt sie. „Für mich als ehemalige Lehrerin ist vor allem die Kinderbetreuung wichtig – aber da nimmt Potsdam ja eine Vorreiterrolle ein.“ Für Henning, die seit 30 Jahren in der Waldstadt lebt, besteht kein Grund zum Wechsel. „Ich wähle Jann Jakobs, weil ich mit ihm einverstanden bin.“
KIRCHSTEIGFELD, 11.40 UHR
Vor dem Marktplatz schließt Christine Mertens ihr Auto ab. Sie will mit ihrem kleinen Sohn zur Gymnastik. Wohnen, Stadtentwicklung und Bildung sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Wem sie ihre Stimme gibt, hat sie aber noch nicht entschieden. Im Gegensatz zu Gertrud Heidecke. „Wahrscheinlich wieder SPD“, sagt die Rentnerin und zeigt Mitgefühl für den von Kritik gebeutelten Amtsinhaber Jakobs. „Wer in so einer Leitungsposition sitzt, der hat’s ja nicht einfach.“
DREWITZ, 11.25 UHR
Milde bescheint die Sonne den Ernst- Busch-Platz, als wollte sie der mit üppigen Fördermitteln hergerichteten Tristesse etwas Trost spenden. Den hat man hier auch für Jakobs übrig. „Die können doch auch nur machen, wofür sie Geld haben“, sagt ein Mann, der seinen Namen nicht nennen, aber Jakobs die Stimme geben will. „Der ist doch in Ordnung. Besser wird’s eh nicht.“ Brit und Jennnifer Reinert haben weniger Sinn für die Wahl. „Die machen doch sowieso, was sie wollen“, lautet ihr Urteil. „Unsere Wünsche nehmen sie ja nicht für voll.“ Welche das sind, darüber haben sich Mutter und Tochter allerdings „noch keine Gedanken gemacht“.
AM STERN, 11.40 UHR
Gemächliches Markttreiben herrscht auf dem Johannes-Kepler-Platz. Bei dessen Anblick fällt Wolf Pietzsch sofort ein Wahlkampfthema ein. „Hier ist viel Geld reingeflossen, doch der Platz wird nicht richtig gehegt und gepflegt“, ärgert sich der Rentner. Der Zorn entlädt sich auf den Rathaus-Chef, der von Pietzsch auch für das Thema Griebnitzsee-Uferweg sein Fett wegbekommt. „Wenig Kompetenz“ habe Jakobs bislang bewiesen, sagt er und hat auch ein Wahlmotto parat: „Lieber einen fähigen ehemaligen IM als einen unfähigen Friesen.“ Zweifellos ein Stimmengewinn für Linke-Kandidat Hans-Jürgen Scharfenberg, der nachweislich nicht von der Nordsee kommt. Holger Abromeit hat seine Wahl schon getroffen: Er geht nämlich nicht. „Ich habe davon nicht so eine Ahnung“, sagt der 19-Jährige. Wer jetzt im Rathaus regiert, weiß er „auch nicht so genau“.
SCHLAATZ, 12.05 UHR
Die Wege vieler führen zur Mittagszeit zum Rewe-Markt am Bisamkiez. Vorzugsweise tragen sie Beutel mit Pfandflaschen. So wie Paul R., der sich vor allem wünscht, dass mehr für die Sicherheit getan wird. „Abends ab acht muss man hier aufpassen, dass man nicht ein paar auf die Fresse kriegt“, sagt er. Ob er wählen geht, weiß er zwar noch nicht genau, aber wenn, dann wohl den aktuellen Oberbürgermeister. „Jakobs hat seine Arbeit gut gemacht.“ Norbert Brandt sieht das auch so. „Ich glaube, der ist noch am kompetentesten.“
BABELSBERG, 13.10 UHR
Vor dem Kulturhaus herrscht die gewohnte Babelsberger Geschäftigkeit. Holger P. schiebt einen Kinderwagen und Frust auf die Politik. Wählen geht er nicht. „Keiner der Kandidaten erfüllt meine Ansprüche.“ Im Prinzip sei es also auch „egal, wer regiert“. Gundi Hahn hat ihre Aversionen klarer fokussiert. „Ich möchte nicht, dass Scharfenberg rankommt“, sagt sie und schwankt zwischen SPD oder CDU – wobei das Pendel ein wenig zugunsten des Sozialdemokraten ausschlägt: „Wie es lief mit dem Jann Jakobs, das fand’ ich nicht verkehrt.“ Bei Elke Gank hat der Rathauschef die Stimme schon „aus Gewohnheit“ sicher. Die junge Mutter hat auch einen verblüffenden Vergleich dafür parat: „Man geht ja auch zu dem Hausarzt, den man schon seit Jahren kennt.“
BRANDENBURGER VORSTADT, 13.30 UHR
Auf dem Luisenplatz sprudelt munter die Fontäne und in manchem Herz die Sympathie für die Arbeit des Verwaltungschefs. „Für mich wird’s der Alte“, macht Daniela T. schon vorab ein virtuelles Kreuzchen bei Jann Jakobs. „Ich find’ den einfach gut.“ Scharfenberg komme nicht in Frage und die Blitzer-Kampagne von CDU-Bewerberin Barbara Richstein sei „ziemlich lächerlich“.
JÄGERVORSTADT, 13.50 UHR
In der Mauerstraße hat Katja Holzhei eigentlich keine Zeit, Fragen zur Wahl zu beantworten. Sie tut es dann doch – obwohl sie eigentlich auch nicht wählen gehen will. Wenn doch, dann wohl Jakobs – denn: „Der ist schon so eingegroovt.“ Etabliert soll das wohl heißen, vielleicht auf einem irgendwie niedrigen Level: „Er hat der Stadt ja nicht unbedingt geschadet.“ Allzu hoch legt auch Jörg Harm die Messlatte nicht. Jakobs wird gewählt, „um einen Ex-IM zu verhindern“, heißt die schlichte Begründung. Ein bisschen Lob gibt’s dann doch noch: „Potsdam steht ja nicht so schlecht da.“
INNENSTADT, 14.10 UHR
Andrea Buttenberg steht vor ihrem Geschäft in der Jägerstraße. Die Inhaberin des Lichthauses „Ammon“ will schon mitreden beim künftigen Stadtoberhaupt. „Ich zahle ja auch meine Steuern hier.“ Sie wählt Jakobs. „Das ist der Einzige, der auch präsent ist.“ Alternativen gebe es ja auch nicht, jedenfalls, wenn man „Herrn Scharfenberg verhindern“ will. Denn jemanden mit Stasi-Vergangenheit, findet sie, „kann man nicht wählen“.
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