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Heute feiert der Astrophysiker Prof. Günther Rüdiger seinen 60. Geburtstag

Heute feiert der Astrophysiker Prof. Günther Rüdiger seinen 60. Geburtstag Von Lene Zade Schon der Staatssicherheit war ein Astrophysiker suspekt, der statt in die Sterne zu blicken, lieber Kulturveranstaltungen organisiert. Noch 15 Jahre nach der Wende amüsieren den ehemaligen Dissidenten Günther Rüdiger die Stasileute, die mutmaßten, dass ein Naturwissenschaftler, der kulturell umtriebig ist, für den amerikanischen Geheimdienstes arbeiten müsse. Dabei haben ihn lediglich seit jeher Wissenschaft wie Kunst gleichermaßen interessiert. Heute wird Günther Rüdiger 60 Jahre alt, ist Professor am Astrophysikalischen Institut Potsdam und nach Jahren als Stadtverordneter immer noch im Kulturausschuss der Stadt aktiv. Die Wände seines Büros neben der Babelsberger Sternwarte spiegeln beide Interessen wider. Nicht ohne Stolz führt Rüdiger die Besucherin durch die kleine Galerie ausgewählter DDR-Kunst. In dem geräumigen Büro entscheidet er sich nach kurzem Zögern gegen das ausholende Dozieren im Stehen und setzt sich, eine Tasse Tee ordernd, um Auskunft über sein Leben zu geben. Er ist vorbereitet. Um bei der Fülle seiner Aktivitäten nichts zu vergessen, hat er sich Notizen gemacht, die einer Projektskizze gleichen: Der Astrophysiker ist geübt darin, Projekte voranzutreiben. Bevor der in Dresden aufgewachsene Rüdiger nach Potsdam kam, wollte er Radiochemie studieren. Daraus wurde nichts, da das entsprechende Institut geschlossen wurde. Zu den Sternen kam er also weniger aus romantischem Interesse, am Fernrohr habe er nie gern gestanden. Als er bei einem Praktikum einen Sternenhaufen fotografieren sollte, beobachtete er zwar die ganze Nacht, bemerkte aber nicht, dass sich vor dem Objektiv die Klappe nicht öffnete. So einer eigne sich eher für die Theorie, meinten damals lachend seine Betreuer und sollten recht behalten. Vor allem die mathematische und abstrakte Seite der Astronomie ist es, die Rüdiger fasziniert. Für seinen aktuellen Forschungsschwerpunkt, die magnetischen Phänomene im Kosmos, setzt er auf einen ganzheitlichen Wissenschaftsansatz. Nachlesen lässt sich das in seinem neuesten Buch „The Magnetic Universe“, das er zusammen mit einem Geophysiker schrieb. Eine weitere, eng mit seinem Beruf verknüpfte Mission ist für Rüdiger die Lobbyarbeit für die Bildungspolitik in Brandenburg. Viel zu wenig sei die Umwandlung Potsdams von einer Garnisonsstadt in einen Wissenschaftsstandort im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Neugründung der Universität sowie zahlreicher Institute böten ein unschätzbares Entwicklungspotential für die Stadt. Auch wenn die wissenschaftlichen Einrichtungen eher außerhalb des Stadtzentrum gelegen seien, sollte ihre Bedeutung für Arbeitsmarkt und Charakter der Stadt nicht übersehen werden. „Um den Wissenschaftsstandort in Potsdam zu erhalten, müssen wir uns anstrengen.“ Das „Wir“ in seiner Rede ist programmatisch: Wenn Rüdiger von nötigen Veränderungen spricht, berichtet er gleichzeitig von seinen Plänen diese umzusetzen. Gerade die rasante Entwicklung der Computertechnik mache in seinem Gebiet jedes neue Jahrzehnt zum Abenteuer. Um dies für die Studierenden erlebbar zu machen, sollte auch über Umstrukturierungen des staatlichen Hochschulsystems in Deutschland nachgedacht werden, da die herrschenden Bedingungen den Anforderungen nicht mehr gerecht würden. Selbst wenn Rüdiger über Reformbedarf referiert, wirkt er nicht demotiviert. Stets formuliert er Visionen und sucht nach Lösungsmöglichkeiten. Nicht nur deswegen macht der Jubilar einen zufriedenen Eindruck. In seiner politischen Tätigkeit hat Rüdiger, der seit den 70er Jahren in Potsdam lebt, auch für die Kultur in der Stadt einiges mit auf den Weg gebracht. Denn letztlich gehöre zu einem Wissenschaftsstandort auch eine entwickelte Kulturszene. Die immer noch fehlende Kunsthalle, da ist sich der Kommunalpolitiker sicher, wird auch noch – so wie der Theaterneubau – kommen. Fast macht es den Anschein, als wenn Rüdigers Visionen von Potsdam, die seiner ganz persönlichen Idealstadt sind. Heute, an seinem Geburtstag, wird er sich allerdings auf sein Grundstück in Vorpommern zurückziehen. Sollte er einmal Zeit haben, würde er wieder Biografien unbekannter Naturwissenschaftler schreiben, denn „jede Biografie hat eine Botschaft“. Über seine Stasiakten bemerkt Rüdiger lakonisch, dass sie ob ihrer Detailgenauigkeit hilfreich für eine mögliche Autobiografie wären. Doch das gehöre gerade nicht zu seinen aktuellen Vorhaben.

Lene Zade

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