Landeshauptstadt: „Jede Sekunde ohne Polizei war wie eine Stunde“
Brand in einer Wohnung am Schlaatz / Hilferufende Kinder / Fünf junge Potsdamer hörten nicht weg und halfen
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Brand in einer Wohnung am Schlaatz / Hilferufende Kinder / Fünf junge Potsdamer hörten nicht weg und halfen Von Guido Berg Die Polizeinachricht: „Vier Mieter wurden am Sonntagabend bei einem Wohnungsbrand am Schlaatz verletzt. Zwei Kinder (10 und 11 Jahre) und ihre 35-jährige Mutter sowie ein 42-jähriger Nachbar mussten mit Verdacht der Rauchgasvergiftung in ein Potsdamer Krankenhaus gebracht werden.“ Was im Polizeibericht so nüchtern und sachlich klingt, war in Wirklichkeit ein dramatisches Geschehen, das gerade so noch gut ausging. Nach nervenaufreibenden Minuten waren zwei Kinder vor dem Erstickungstod gerettet – und fünf Potsdamer zu Lebensrettern geworden. Gestern wurde ihnen durch Polizeidirektor Ralf Marschall für ihre Hilfsbereitschaft in der Potsdamer Hauptwache Dank gesagt: Susann Berg, Kerstin Hamann, Lars Sobotta, Maik Fürstenberg und Lars Todt. Die beiden jungen Frauen wollen am 5.Dezember einen ganz normalen Abend verbringen. Sie sind auf dem Weg in ein Schnellrestaurant und sie haben nicht die geringste Ahnung, was ihnen gleich abverlangt wird. Sie spazieren die Straße entlang. Im Schilfhof, auf der Höhe der Kaufhalle Minimal, hören sie plötzlich Kinder-Schreie. „Wir dachten zuerst an einen Scherz“, berichtete Susann Berg gestern. In die Hilfe-Rufe mischen sich Hustenanfällen. „Wo seid ihr?“ Sie versuchen, die Kinder ausfindig zu machen. Dann sehen sie es: Aus einem Fenster im 15. Stock des Neubaus quillt schwarzer Rauch. Da kommt Lars Sobotta mit seinem Hund vorbei, erst ihm gelingt es, über die Klingelanlage einen der Mieter zu überreden, ihm die Tür zu öffnen. Er drückt den Frauen das Tier in die Hand und stürzte die Treppe hinauf. Unten versuchen sie, den Kindern Fragen zuzurufen, „damit sie nicht ohnmächtig werden“. Sie erfahren, „Mutti ist nicht da, Vater haben wir nicht“. Eine der Frauen rennt ins „Full House“. Nachsehen, ob die Mutter dort „ein Bierchen trinkt“. Die andere ruft mit dem Handy die Polizei. Von den Kindern hören sie, dass es im Flur brennt, zudem sei die Tür verschlossen. Hin und wieder Stille. Nichts mehr von den Bedrohten zu hören. Die Zeit dehnt sich aus. Kerstin Hamann: „Jede Sekunde ohne Polizei war wie eine Stunde.“ Maik Fürstenberg wohnt im ersten Stock, bei ihm ist Lars Todt: Sie hören die Rufe der beiden Frauen. Auch sie rennen die Stockwerke hinauf, suchen den Brandherd. Erst soll es im sechsten Stock sein, dann hören sie Rufe, sie verstehen „im zehnten“. Nichts. Also noch weiter hoch! Stufe um Stufe, Etage für Etage. Dann sehen sie die Tür, aus deren Ritzen es hervorqualmt. Es stinkt „übelst“ nach verbranntem Plastik. Sie klingeln beim Nachbarn Sturm. Nach unvorstellbar langen zehn Minuten öffnet er, er ist der Lebensgefährte der Mutter. Sie ist bei ihm. Erst ihr gelingt es, die Tür mit dem Schlüssel zu öffnen. Die Jungs hatten vergebens versucht, sie einzudrücken, wie in so vielen Filmen schon gesehen. Doch was Hollywood und ihr Erlebnis gemein haben, ist bestenfalls das Happy End. Die Tür ist offen, Jens Sobotta beginnt das Feuer mit einem Wasserschlauch aus dem Hausflur zu löschen. Dann, eigentlich nur Minuten nach der Alarmierung, treffen viele Rettungsfahrzeuge ein. Die Kinder überleben ohne bleibende Schäden. Zum Nikolaus hatten sie ihre Mutter mit einem Teelicht neben den Schuhen überraschen wollen. Ohne den Einsatz der fünf jungen Potsdamer wäre es eine sehr böse Überraschung geworden.
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