Landeshauptstadt: Jeder ist wichtig
Oberlinschüler zeigten Theaterstück „Die Bremer Stadtmusikanten“ vor rund 100 Zuschauern
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Babelsberg - Als er die Menge sah, hatte er doch Angst, gesteht Jonas. Doch dann haben alle geklatscht, laut und ausdauernd. Ein Gefühl, „als wenn die ganze Welt um dir ist“, beschrieb er, was er dort oben auf der Bühne empfand. Gestern Nachmittag waren der achtjährige Jonas und seine Mitschüler die Stars der Oberlinschule. Fast 100 Eltern, Geschwister, Mitschüler und Kindergartenkinder saßen im Saal des Oberlin-Handwerkerhauses in der Rudolf-Breitscheid-Straße , um sich das Musikmärchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ anzusehen. Viele aus der Schule haben geholfen, das Theaterstück auf die Beine zu stellen: Lehrer, Schüler, Praktikanten bastelten Kostüme und Kulisse. Musik-Pädagoge Thomas Richter hat die Lieder und Texte mit den Kindern geübt.
Vor der Aufführung sitzt Jonas“ Zwillingsbruder Jonathan in seinem Rollstuhl am Einlass und reißt die Eintrittskarten ab. Ein anderer Junge ist für die Verdunklung zuständig. Als Thomas Richter das Start-Signal gibt, ergreift er ernst und konzentriert die Stoffvorhänge und zieht sie vor die Fenster. Auch dafür applaudieren die Gäste, jeder hier ist wichtig. Dann beginnt das Märchen vom Esel, dem Hund, der Katze und dem Hahn, die alt und nutzlos geworden sind und darum keinen Platz mehr auf ihren Bauernhöfen haben. Der zwölfjährige Sebastian leiht den musizierenden Tieren seine klare Stimme, der Schüler-Chor hilft ihm. Für manche der Kinder sei es eine riesige Herausforderung, sich mehrere Strophen zu merken und zu singen, sagt Richter. Von Anstrengung ist während der Vorstellung aber nichts zu spüren. Die Kinder sind mit Spaß bei der Sache.
Hahn, Esel, Katze und Hund betreten die Bühne und wieder klatschen alle. Auch die neunjährige Tekla applaudiert eifrig mit. Sie ist die Katzen-Darstellerin. Vor Begeisterung beginnt die alte, behebige Katze zwischendurch immer wieder quietschend in die Luft zu springen. Der achtjährige Frederik spielt den Hahn, er kräht hingebungsvoll das Publikum an.
Für ihre Rollen haben sie viel geübt, manchmal musste für die Proben sogar der Sportunterricht ausfallen, erzählt Jonas. Er ist der Esel. Am schwierigsten sei es gewesen, gebückt zu gehen, als schleppe er schwere Getreidesäcke, sagt der Junge. Ihre Söhne leiden beide an einer Spastik, erklärt Christiane Linde, die extra aus Lindow bei Neuruppin angereist ist, um Jonas spielen zu sehen. Ihre Kinder gehen auf die Schule für Menschen mit Behinderungen und bleiben die Woche über in der dazugehörigen Wohnstätte. Dass sie stolz auf ihre beiden Jungen sein kann, weiß Christiane Linde sowieso. Das merkt jeder, der mit ihr über Jonas und Jonathan redet. Aber das Theaterstück hat es ihr wieder von neuem bewiesen: „Da kann man sehen, was aus ihnen geworden ist“, sagt sie. Sie meint, trotz der schwierigen Geburt, viel zu früh, in der 27. Schwangerschaftswoche. Nicht mehr als 990 Gramm habe Jonas damals gewogen.
Er selbst habe nach seinem ersten Bühnenerfolg von der Schauspielerei erst einmal genug, sagt Jonas und verschwindet, um mit seinen Klassenkameraden durch den Zuschauersaal zu toben. Dort hat gerade die „Premierenfeier“ begonnen.
Juliane Wedemeyer
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