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Von Guido Berg: Jeder zweite Täter kommt davon
Abfallende Aufklärungsquote bei Potsdams Kriminalisten / 2008 kein einziger Mord in der Stadt
Stand:
In Potsdam werden immer weniger Straftaten aufgeklärt. Nach der gestern veröffentlichten Kriminalstatistik für den Schutzbereich Potsdam wurde im Jahr 2008 nur für knapp jede zweite Straftat auch der Täter ermittelt: Bei den 17 050 registrierten Straftaten in der Landeshauptstadt habe die Aufklärungsquote 50,7 Prozent betragen – sechs Prozentpunkte weniger als im Jahr 2007, sagte Schutzbereichsleiter Ralf Marschall gestern vor Journalisten. Damit lag die Quote der aufgeklärten Fälle noch unter dem Landesdurchschnitt. Die ist binnen Jahresfrist ebenfalls um 5,5 Prozentpunkte auf 51,9 Prozent gesunken. In Potsdam wurden 2007 noch 57,4 Prozent aller Fälle aufgeklärt.
„Die Polizei ist nicht schlechter geworden und die Täter nicht schlauer“, erklärte Marschall. Vielmehr sei 2008 die Struktur der Kriminalpolizei reformiert worden. Der Schutzbereichsleiter: Die Polizei müsse den durch die große Koalition initiierten Personalabbau mit Strukturveränderungen begegnen. Zudem gebe es „statistische Verwerfungen“ infolge einer Software-Umstellung. Als weiteren Grund gab Marschall einen Anstieg der Zahl der Delikte an, bei denen gegen unbekannt ermittelt wird. Als Beispiel nannte Marschall die Fahrraddiebstähle, hier stieg die Zahl der Fälle in Potsdam von 2007 auf 2008 um 148 auf 1310. Im Gegensatz dazu fiel die Zahl der Straftaten, bei denen in der Regel ein Täter „mitgeliefert“ wird, sagte der Polizeidirektor. So sank die Zahl der Ladendiebstähle in der Stadt Potsdam binnen Jahresfrist um 236 auf 1254 Fälle. Signifikant ging auch die Zahl der Rauschgiftdelikte zurück – um 203 auf 267 Fälle.
Im Detail sind die Aufklärungsquoten stark abhängig von der Deliktart. Schwerverbrecher müssen weiterhin mit einem hohen Verfolgungsdruck rechnen: 82 Prozent aller Rohheitsdelikte wurden 2008 im Schutzbereich aufgeklärt. Dagegen stellten die Polizisten nur 27 Prozent der illegal handelnden Graffiti-Sprayer in der Stadt Potsdam. 2351 der angezeigten Sachbeschädigungen entfallen in der Landeshauptstadt auf Graffiti-Verstöße. Diese stehen in der Welterbestadt Potsdam verstärkt „im Fokus der Öffentlichkeit“, so Marschall. Es gebe viele Bestrebungen der Wohnungsunternehmen oder der Verkehrsbetriebe, die Graffiti-Delikte schnell und Konsequenz zur Anzeige zu bringen. Dadurch würden Graffiti- Straftaten zunächst „aus der Latenz“ herausgeholt; die Fallzahlen stiegen an. Es bestehe aber langfristig die Hoffnung, dass dadurch „die Täter zurückgedrängt werden“, so der Polizeidirektor: „Das ist eine langfristige Geschichte.“
Im Kommunalwahljahr 2008 verzeichnete die Polizei einen Anstieg der politisch motivierten Straftaten. 274 Fälle im Jahr 2008 stehen 212 Fälle im Jahr davor gegenüber. Allerdings geht das Gros auf entwendete oder beschädigte Wahlplakate zurück, so Kriminalrat Lars Brückner. Bemerkenswert ist ein Anstieg politisch motivierter Gewalt in der Stadt Potsdam von 15 Fällen im Jahr 2007 auf 20 Fälle im vergangenen Jahr. Im gesamten Schutzbereich Potsdam waren es 22 Fälle im Jahr 2008. Sieben Gewalttaten gingen 2007 auf rechtsextreme und neun auf linksextreme Gesinnung zurück. 2008 war dieses Verhältnis ausgeglichen: Elf zu elf im gesamten Schutzbereich. Marschall würdigte in diesem Zusammenhang die Demonstrationen für mehr Jugendkultur in Potsdam im vergangenen Jahr, die „nicht in Gewalt umgeschlagen sind“.
Die hinsichtlich der Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung wohl angenehmste Zahl ist die der Morde: Null. 2008 gab es keinen Mord in Potsdam. Jedoch wird Brückner zufolge zu einem „vollendeten Tötungsdelikt“ an der Straße zwischen Fahrland und Neufahrland noch ermittelt.
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