Von Ernst Huenges: Jederzeit an jedem Ort
Wärme und Strom aus der Erde: Geothermie ist praktisch unerschöpflich und von Jahreszeit und Klima unabhängig
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Das Wissenschaftsjahr 2010 befasst sich mit der „Zukunft der Energie“. In den PNN stellen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums in Potsdam (GFZ) ihre Forschungsprojekte dazu vor.
Erdwärme zählt zu den weltweit am meisten genutzten regenerativen Energien. Sie steht unabhängig von Jahreszeit und Klima jederzeit an jedem Ort zur Verfügung und ist praktisch unerschöpflich. Neben der Nutzung zur Wärmeversorgung wird sie deshalb auch in Deutschland für die Grundlastversorgung mit Strom immer interessanter. Nach Abschätzungen des Weltklimarates (IPCC) wird Geothermie schon in 40 Jahren die weltweite Bereitstellung von Grundlast mit 160 Gigawatt elektrisch und über 300 Gigawatt thermisch ermöglichen.
Geothermie steht als heimische Energie zur Verfügung, auch in Deutschland. Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam untersucht daher in der Großanlage „Geothermielabor Groß Schönebeck“ neue effektive Verfahren, um Energiebereitstellung aus Erdwärme auch in unseren Breiten wirtschaftlich und wettbewerbsfähig zu machen. In-situ-Experimente an Referenzstandorten wie Groß Schönebeck im Norddeutschen Becken sind dabei von besonderer Bedeutung. Die für weite Teile Mitteleuropas typischen geologischen Gegebenheiten machen den Standort für die Untersuchungen besonders repräsentativ. Verfahren, die hier erfolgreich angewandt werden, können weltweit auf Regionen ähnlicher Geologie übertragen werden.
Zwei Forschungsbohrungen erschließen wasserführende Gesteinsschichten zwischen 3,9 und 4,3 Kilometern bei Temperaturen um 150 Grad. Dieses in-situ-Forschungslabor stellt weltweit die einzige Einrichtung zur Untersuchung sedimentärer geothermischer Lagerstätten unter natürlichen Bedingungen dar. Hier werden wissenschaftliche Experimente durchgeführt, neue Bohrlochmessverfahren eingesetzt sowie technische Systemkomponenten im Betrieb getestet und weiterentwickelt.
Für eine effiziente Wandlung von Erdwärme in elektrischen Strom ist ein nachhaltiger Wasserkreislauf mit Temperaturen von mindestens 150 Grad erforderlich. Dabei nutzt man Wasser, das im Untergrund bereits vorhanden ist oder von übertage zugeführt wird. Das Wasser durchströmt das heiße Gestein und nimmt dessen Wärme auf. Da die natürliche Durchlässigkeit der Gesteine meist gering ist, müssen sie „stimuliert“ – künstlich durchlässiger – werden, damit das Wasser besser zirkulieren kann. Große Mengen Wasser werden dabei unter hohem Druck über eine Bohrung in den Untergrund verpresst, um ein weit verzweigtes Zuflusssystem im Gestein zu erzeugen („Stimulation“). Dieses Stimulationsverfahren ist Teil des Konzeptes der Enhanced Geothermal Systems (EGS), das dazu dient, Erdwärme-Lagerstätten zu einer wirtschaftlichen Nutzbarkeit zu führen. Die Ergiebigkeit geothermischer Reservoire wird dadurch verbessert und die Risiken bei der Lagerstättensuche werden gesenkt.
Geothermische Stromerzeugung setzt zwei Bohrungen, einen nachhaltigen Thermalwasserkreislauf und ein obertägiges Kraftwerk voraus. Über die erste Bohrung wird das Wasser aus der Tiefe gefördert und nach seiner thermischen Nutzung im Kraftwerk über die zweite Bohrung wieder in den Speicher geleitet. Das Wasser gibt seine Wärme über einen Wärmetauscher an ein schon bei geringen Temperaturen siedendes Arbeitsmittel ab, das in einem Sekundärkreislauf den Generator zur Stromerzeugung antreibt (Organic Rankine Cycle).
Die Bohrungen in Groß Schönebeck stellen nach der Stimulation eine Produktivität bereit, die den Betrieb eines Kraftwerkes am Standort aus energiewirtschaftlicher Sicht interessant macht. Zurzeit wird auf dem Gelände eine Forschungsanlage zur Stromerzeugung aufgebaut, die mit verfahrenstechnischen und energiewirtschaftlichen Untersuchungen systemtechnische Weiterentwicklungen ermöglicht.
Geothermische Anlagen nutzen heimische Energie und produzieren einen Bruchteil der Menge an Kohlenstoffdioxid einer vergleichbaren Energiebereitstellung aus fossiler Verbrennung. Der verstärkte Einsatz der Geothermie für die Grundlastversorgung mit Strom und Wärme eröffnet damit neue Chancen für die Umsetzung der Klimaschutzziele in Europa und weltweit.
Der Autor leitet seit 1994 die Geothermie-Sektion des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ).
Ernst Huenges
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