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Landeshauptstadt: „Jedes Jahr der gleiche Kampf“ Sabine Chwalisz von der fabrik über die 17. Tanztage und Berührungsängste beim Publikum

Heute beginnen in der Schiffbauergasse die 17. Tanztage der fabrik.

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Heute beginnen in der Schiffbauergasse die 17. Tanztage der fabrik. Im Programmheft steht „Tanz braucht Propagandisten“. Ist das als Motto zu verstehen?

Nein, die Tanztage haben kein Motto und auch kein Thema. Wir wollen den Künstlern nicht vorschreiben, womit sie sich beschäftigen sollen. Wir versuchen ein breites Spektrum zu zeigen, was zur Zeit international in Sachen zeitgenössischer Tanz passiert.

Warum braucht Tanz Propagandisten?

Propagandisten, weil Tanz speziell und Kunst und Kultur allgemein immer Leute brauchen, die sich dafür einsetzen und stark machen. Es gibt Fernsehen, Filme und Musik, die sind populärer und leichter zugänglich als der Tanz. Auf dieser Ebene ist darstellende Kunst etwas sehr Flüchtiges. Darum braucht es Leute, die uns immer wieder überzeugen.

Hat dieses Bemühen um Propagandisten auch mit der finanziellen Lage zu tun?

Ja. Aber es geht um eine permanente Auseinandersetzung mit Kultur. Ist Kultur nur Luxus, den sich leisten soll, wer Lust dazu hat? Oder ist Kultur eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe, für die das nötige Geld bereitgestellt werden muss.

Sie sprechen die stärker zurückgehende öffentliche Förderung an?

In den letzten Jahren haben wir die Entwicklung, dass viele kulturelle Akteure, ob frei oder städtisch, mehr und mehr Einnahmen selbst erwirtschaften sollen. Dadurch kommt es zu einer wachsenden Kommerzialisierung der Veranstaltungen. Nur viele Zuschauer garantieren entsprechende Einnahmen. So gehen Vielfalt und Individualität verloren. Nur mit entsprechender finanzieller Unterstützung kann Vielfalt erhalten werden.

Wie finanzieren Sie ein zwölftägiges Festival wie die Tanztage?

Die Finanzierung ist heikel. Die Tanztage haben einen Etat von 90 000 Euro. Wir bekommen 10 000 Euro aus Hauptstadtmitteln. Hinzu kommen Zuschüsse von internationalen Instituten und seit zwei Jahren auch von der Sparkasse, auf die wir jedes Jahr wieder hoffen. Wir sind verstärkt dabei, Sponsoren zu finden.

Das heißt, jedes Jahr muss die Finanzierung für das Festival Tanztage neu beantragt werden?

Das ist jedes Jahr der neue, gleiche Kampf. Jedes Jahr sagen wir, dass wir es nicht mehr machen, denn diese Ungewissheit ist einfach unerträglich. Aber wir machen es trotzdem. Die aktuellen Tanztage sind noch nicht zu Ende, schon kommen die Anfragen für die nächsten. Die Tanztage haben sich zu einer Größe entwickelt, die für viele Künstler interessant ist. Die Stadt muss sich endlich positionieren, ob sie die Tanztage will oder nicht.

Diese Positionierung sollen ja die kulturpolitischen Konzepte bringen, die gerade an Runden Tischen diskutiert werden und ab 2008 die Kulturförderung in Potsdam für fünf Jahre leiten werden.

Ich finde die Diskussion spannend, denn es bietet sich die Möglichkeit, einen breit gefächerten Konsens zu erarbeiten. Da kommt noch eine Menge Arbeit auf uns zu. Uns wurde schnell klar, dass internationale Festivals, wie die Tanztage, ein gesondertes Thema sind. Wenn die Stadt solche Festivals haben will, was auch von der politischen Seite so gesehen wird, muss das auf sicheren Füßen stehen.

Diese Sicherheit fehlt. Hat das Auswirkungen auf die Planungen für die Tanztage?

Ja. Durch die Kurzfristigkeit der Planungen können die Tanztage nicht die Dynamik entwickeln, die möglich wäre. Wenn wir die Programmhefte früher drucken könnten, früher damit werben könnten, wer hier auftritt, wäre sicher ein Potenzial, mit dem die Tanztage weiter getragen werden können.

Was erwartet die Gäste bei den 17. Tanztagen?

Wir haben eine Reihe von Aufführungen von Künstlern, die zum ersten Mal bei uns zu Gast sind. Das sind dann zum Teil Deutschlandpremieren, zum Teil auch Weltpremieren. Zum dritten Mal veranstalten wir die Kinder- und Jugendtanztage. Neu kommt in diesem Jahr das Spiegelzelt hinzu, in dem Aufführungen, Konzerte und die Partys stattfinden. Daneben ein Workshop-Programm für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche.

Die Tanztage sind mittlerweile ein international renommiertes Festival. Wer besucht diese Veranstaltungen?

Unser Publikum ist breit gefächert. Es zeichnet sich nicht durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene, sondern eher durch die Neugierde auf außergewöhnliche, künstlerische Auseinandersetzungen aus. Aber Tanz ist noch immer nicht selbstverständlich. Es scheint noch Berührungsängste zu geben sich mit dem zeitgenössischen Tanz auseinander zu setzen.

Wie reagieren Sie auf diese Berührungsängste?

Die Auseinandersetzung braucht mehr Heranführung. Wir haben seit Jahren die Reihe „Night Talk“. Nach der Aufführung kommen die Künstler und stellen sich Fragen oder diskutieren mit den Zuschauern über ihre künstlerischen Ansätze. Nach „Dance“ von Frédéric Gies hatten wir eine heftige Diskussion, die über Stunden ging. Es waren Zuschauer mit einem komplett anderen Tanz- und Theaterverständnis. Ich hoffe, dass aus dieser Diskussion heraus ein Bedürfnis entsteht, diese Auseinandersetzung auch weiterhin zu suchen.

Wie sieht die Arbeit in der fabrik neben dem Festival Tanztage aus?

Es ist jetzt ein Jahr her, dass wir wieder in das sanierte Haus gezogen sind. Das Förderprogramm Tanzplan, zu dem wir seit Juli 2006 gehören und das Künstlern mit einer Residenz die Arbeit an einem neuen Stück, einer Idee ermöglicht, entwickelt sich sehr gut. Im Herbst kommen dann die neuen Tanzstudios hier auf dem Gelände dazu, die wir zusammen mit dem Waschhaus betreiben werden.

Und Probleme?

Manchmal frage ich mich, ob wir uns nicht zu viel vornehmen. Zur Zeit kommen unsere eigenen künstlerischen Produktionen zu kurz. Was natürlich auch mit den finanziellen Problemen zu tun hat. In dieser Hinsicht sind vor allem Stiftungen interessant. Doch dafür brauchen wir die Unterstützung der Stadt.

Wie würde sich so eine Positionierung seitens der Stadt auf den Standort Schiffbauergasse auswirken?

Wenn die Schiffbauergasse die Ausstrahlung als Kulturstandort haben soll, die über eine lokale Präsenz hinausgeht, braucht es internationale Festivals. Nur so erreicht man Touristen, aber auch Produzenten und Veranstalter aus dem Ausland. Die Angebote für die Schiffbauergasse zu entwickeln, ist eine spannende Aufgabe und in Anbetracht der momentanen Finanzierung auch eine große Herausforderung. Das Gespräch führte Dirk Becker

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