Landeshauptstadt: Jenseits der Seniorenresidenz
Mietergemeinschaft 45+ wohnt in Mängelbau / Maßnahmepaket geschnürt / Gesamtkosten: 250 000 Euro
Stand:
Die Handläufe im Treppenhaus sind schmerzhaft kantig, wenn alte gichtgeplagte Hände sie greifen. Die Treppenstufen haben nicht genug Tiefe, so dass der Treppenabsteiger permanent zu stürzen droht. Die Türen in den Wohnungen sind zu schmal, um sie bequem mit dem Gehstock oder gar einem Rollator zu passieren. Die Mängelliste ließe sich unendlich fortsetzen, wenn man in der Bartholomäus-Neumann-Straße im Haus Nummer 13 den Maßstab „seniorengerecht“ anlegt.
Zwölf Menschen jenseits der 45 sind vor sechs Jahren in den damaligen Neubau eingezogen. Auf Drängen der Mietergemeinschaft hat sich nun der Vermieter, die Pro Potsdam, zu einem Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Wohnsituation entschlossen. Mit 250 000 Euro habe man den Gesamtbedarf veranschlagt, erklärte Pro Potsdam-Sprecher Andreas Wandersleben auf PNN-Anfrage.
Für Menschen jenseits des Rentenalters sei das Haus am Ende der Neumannstraße ja auch nicht konzipiert gewesen, erzählt Bewohnerin Ilse Moyseszyk. Vielmehr sollten hier Alleinerziehende mit Kind einziehen. Dafür ermittelte man wohl im Baujahr 1999/2000 einen Bedarf, der so allerdings nicht ausgeschöpft wurde. Vor nunmehr sechs Jahren gründete sich deshalb an dieser Stelle eine Mietergemeinschaft 45+. Ilse Moyseszyk ist Sprecherin des aus zwölf Mietparteien bestehenden Mietprojekts, das mehr aus der Not, denn aus Überzeugung entstand. Ein „Zufallsprodukt“, wie Ilse Moyseszyk es nennt. „Wir sind alle nicht begütert genug, um in eine Seniorenresidenz zu ziehen“, erklärte die Gemeinschaftssprecherin. Und auch noch nicht so gebrechlich, dass eine Pflegeeinrichtung als Zuhause in Frage käme. Unterstützung von kommunaler Seite gebe es für solche Initiativen nicht, bemängelte die Sprecherin. Und dies, obwohl die Zahl der alten Menschen in der Stadt steige. Seniorengerechten Wohnraum gebe es aber, so Wandersleben. Von den rund 18 000 Wohnungen im Pro Potsdam-Bestand würden 3000 über Aufzüge erschlossen, so der Sprecher. Über 1800 Wohnungen lägen zu ebener Erde und seien somit auch von Rollstuhlfahrern nutzbar.
Das alleine wiege nicht die Sicherheit auf, die man in einer Gemeinschaft erfahre, argumentierte Ilse Moyseszyk. Die Bewohner des roten würfelförmigen Gebäudes hätten alle den Wunsch nach möglichst langer Eigenständigkeit, wollten aber für den Notfall jemanden in ihrer Nähe wissen. Ein Luxus, der nicht all zu teuer sein darf. Denn die Bewohner der Neumannstraße 13 verfügten über eine Durschschnittsrente von 1100 Euro im Monat. Nach Abzug der Miete sollte immer noch etwas übrig bleiben, um im Bedarfsfall Betreuungsleistungen zu finanzieren, so Ilse Moyseszyk. Die Mietergemeinschaft funktioniere nur, weil alle Beteiligten bereit seien, sich mit ihren Möglichkeiten einzubringen. So habe eine der Mieterinnen ein Auto. Gebe es größere Besorgungen zu machen, werde sich an den Benzinkosten beteiligt. Einer der Männer habe handwerkliches Geschick und übernehme Reparaturarbeiten im Haus, nennt Ilse Moyseszyk Beispiele, wie sich die einzelnen 45+-Bewohner einbringen. Sie selbst ist sehr geschickt im Verfassen von Wunschlisten und Anträgen. Mehrere Aktenordner mit Korrespondenzen zwischen Pro Potsdam und ihr sind gefüllt. Jetzt hatte sie mit ihrer Beharrlichkeit Erfolg. Noch im ersten Halbjahr dieses Jahres werde mit der ersten Verbesserungsmaßnahme begonnen, so Wandersleben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: