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Landeshauptstadt: Jesus-Knabe mit Weltkugel

Archäologen fanden 500 Jahre alte Miniatur-Skulptur am Alten Markt

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Innenstadt - Der die Weltkugel schulternde Atlas auf dem Alten Rathaus hat Konkurrenz bekommen: Archäologen fanden am Alten Markt eine 65 Millimeter lange Jesus-Figur, die eine Weltkugel in der linken Hand hält. Wie Grabungsleiter Dr. Jonas Beran gestern erklärte, stamme das Miniatur-Bildwerk aus dem 16. Jahrhundert. Stadtarchäologin Gundula Christl verweist auf ähnliche Darstellungen aus Süddeutschland, von woher auch der Potsdamer Jesus mit Heiligenschein und Weltkugel stamme. Das aus hellem Ton gefertigte Figürchen gebe einen Hinweis auf das weihnachtliche Brauchtum des frühen 16. Jahrhunderts. Laut Beran könne es als Spielzeug oder einfach als Kultgegenstand gedient haben.

Ausgräber Werner Maguhn hatte das Figürchen nur wenige Meter von der Friedrich-Ebert-Straße entfernt, gegenüber dem Marstall, gefunden. Es lag dort in zwei Metern Tiefe in einem alten Hauskeller. Wie Christl berichtet, wurden im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert in Nonnenklöstern Christkindpuppen versorgt und gewiegt. „Vermutlich sind die vor allem im Rheinland in großer Stückzahl hergestellten kleinen Christusfigürchen Ausdruck der Übernahme dieser Mode in die bürgerliche Kultur“, so die Deutung der Stadtarchäologin.

Die Baubeigeordnete Elke von Kuick- Frenz war gestern zum Grabungsfeld auf dem Stadtschlossareal gekommen, um das sensationelle Fundstück öffentlich zu präsentieren. Die Grabungen, die wegen der Vorbereitung eines Nachfolgebaus des Stadtschlosses notwendig sind, dauern noch zirka ein Jahr. Das liegende Christuskind ist eines von Tausenden Dokumenten, die dieser Tage im Bereich des früheren Stadtschloss-Standortes zu Tage gefördert wurden. Von Feuersteinsplittern der Jungsteinzeit bis zum Abzeichen der NS-Frauenschaft aus jüngster Vergangenheit reicht das Spektrum der Gegenstände. Bunt glasierte Ofenkacheln aus dem 16. Jahrhundert und Ziegelfliesen mit farbigen Sternmotiven deuten die Fachleute als „Luxusgüter“. Diese sollen aus Wohnräumen der benachbarten Renaissance-Burg stammen. Insgesamt umreißen die Funde einen Zeitraum von zirka 5000 Jahren. Zu den jüngsten zählen die frei gelegten Fundamente des nordöstlichen Kopfbaus und des östlichen Bogens des Fortunaportals. Christl: „Diese Funde offenbaren bisher unbekannte Details zur Baugeschichte des Stadtschlosses.“

Zirka 2500 Quadratmeter Fläche sind in den vergangenen drei Monaten untersucht worden. Inzwischen liegen die mächtigen Grundmauern des Stadtschlosses in diesem Bereich frei. Außerhalb dieser Mauern fanden die Ausgräber Brunnenanlagen aus verschiedenen Zeitepochen. „Wir müssen die mittelalterliche Geschichte Potsdams zum Teil neu schreiben“, sagt die Stadtarchäologin. So lasse sich jetzt in nicht erwarteter Vollständigkeit der Grundriss der Stadt ergänzen. Der Alte Markt und das nördliche Stadtschloss lagen im 13. bis zum 17. Jahrhundert im Zentrum der mittelalterlichen Stadt. „Wohnhäuser und Wirtschaftbauten, Straßen und Gartengrundstücke verschwanden erst mit dem Ausbau des kurfürstlichen Schlosses in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, erläutert Christl. Sie zählt auf: 16 Keller von Wohngebäuden des 13. bis 17. Jahrhunderts, viele Baustrukturen von ebenerdigen Gebäuden, neun Brunnen, technische Anlagen sowie Spuren gärtnerischer und landwirtschaftlicher Nutzung.

Nach Meinung der Wissenschaftler verdichten sich die Hinweise, dass in der Umgebung der Burg zahlreiche Handwerker ihre Wohnhäuser und Werkstätten hatten.

Günter Schenke

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