Landeshauptstadt: Jobcenter verteidigt Hartz-IV-Strafen
Kritik von der Linken: Sanktionen kein geeignetes Mittel der Disziplinierung
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Die Sanktionen gegen Potsdamer Hartz- IV-Empfänger befinden sich auf Rekordniveau – aber Jobcenter-Chef Frank Thomann verteidigt den harten Kurs. Die Sanktionen seien sinnvoll, sagte Thomann am Donnerstag vor Journalisten: „Wenn die Jobcenter-Kunden nicht auf unsere Angebote reagieren, dann ist es richtig und angemessen, gegen sie sanktionierend vorzugehen.“ Wie berichtet haben die Arbeitsvermittler in Potsdam im vergangenen Jahr so viele Strafen ausgesprochen wie noch nie: Die Zahl der Sanktionen stieg gegenüber 2011 um 66 Prozent.
Inzwischen gibt es erste Kritik. Linken-Kreischef Sascha Krämer erklärte, Strafen seien kein geeignetes Mittel der Disziplinierung. „Im Gegenteil, sie erzeugen bei den Betroffenen Frust und Konfliktpotenzial“, so Krämer. Ohnehin seien die im Hartz-IV-System vorgesehenen Sanktionen verfassungswidrig, die damit einhergehenden Leistungskürzungen verletzten das Grundrecht des Betroffenen auf Existenzsicherung. Die Jobcenter-Mitarbeiter sollten daher mehr ihrer beratenden Funktion nachkommen, so Krämer.
Thomann widersprach dem. Die Arbeitslosen müssten ihren Teil beitragen, wieder in einen Job zu finden. Als Beispiel nannte er vom Jobcenter organisierte Börsen, bei denen Arbeitgeber konkrete Arbeitsstellen anbieten würden. Doch zu diesen Veranstaltungen käme manchmal noch nicht einmal die Hälfte der eingeladenen Arbeitslosen: „Das kann nicht sein.“ Die mit Abstand meisten Sanktionen hatte es für solche Meldeversäumnisse gegeben, also wenn Kunden nicht zu Terminen erschienen sind. Wegen solcher Pflichtverletzungen werden auch die Hartz-IV-Leistungen gekürzt. Thomann sagte, vor einer solchen Strafmaßnahme würden die Kunden aber angehört. Zugleich sei die hohe Zahl der Sanktionen kein Instrument zur Senkung der Kosten, betonte Thomann.
Zugleich zog der Behördenchef ein erstes positives Fazit für ein Beschwerdesystem, das im Jobcenter seit einem Jahr getestet wird. Mit sogenannten „Bescheid-Erklärern“ will man Kunden, die ihren Hartz-IV-Bescheid nicht verstehen oder fehlerhaft finden, entgegenkommen. Früher seien solche Widersprüche häufig direkt in ein Klageverfahren am ohnehin überlasteten Sozialgericht gemündet. Nun werden die Widersprüche direkt an die Sachbearbeiter zurückgesendet, die ihre Rechnungen noch einmal überprüfen müssten. Dazu gibt es die eigens ausgebildeten Bescheid-Erklärer und für besondere Streitfälle eine Schiedsstelle. Diese drei Instrumente hätten laut Thomann im vergangenen Jahr in 370 Fällen weiteren Streit vermieden. Die Zahl der eingegangenen Klagen sei so von 1265 auf 1086 gesunken. Für dieses Jahr erwartet Thomann nur noch 900 Klagen. Damit würden auch Gerichtskosten gespart. 2012 waren dem Jobcenter durch Klagen und Widersprüche gegen Bescheide rund 525 000 Euro Kosten entstanden. HK
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