Landeshauptstadt: Joggen nur zur Sommerzeit
Um einen öffentlichen Uferweg zu ermöglichen, wird es zu Sperrungen kommen - eine Wegbeschreibung
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Babelsberg – Jogger, Hundeliebhaber und auch Radfahrer werden sich darauf einstellen müssen, dass ihre geliebte Auslauf- bzw. Fahrstrecke am Griebnitzsee in den kommenden Jahren nicht immer durchweg durchlässig zur Verfügung stehen wird. Was nach Verdruss aussieht, ist jedoch nichts weiter als die Voraussetzung dafür, dass es auch in der Zukunft einen öffentlichen Uferweg geben kann.
In dieser Woche wird der Uferstreifen endlich aus seinem Dornröschenschlaf gerissen. Erstmals wird auf einem Teilabschnitt das umgesetzt, was Anwohner der Stadt bereits vor vielen Monaten als Kompromiss im Streit um Eigentum und Nutzung der ehemaligen Mauergrundstücke angeboten hatten: nämlich dass sie den über ihre Grundstücke führenden ehemaligen Grenzerweg aus DDR-Zeiten auf eigene Kosten an das Seeufer verlegen. Der Vorteil der Anlieger: die privat nutzbare Grundstücksfläche erhöht sich erheblich, das Gelände kann zudem wieder in den Ursprungszustand vor dem Mauerbau versetzt werden. Der Vorteil für Potsdam: Der Uferweg wird auch weiter öffentlich bleiben. Man muss nämlich wissen: Vor dem Mauerbau gab es eine solche öffentliche Durchwegung gar nicht. Die Villenbesitzer nutzten ihre Grundstücke in voller Gänze, zuzüglich Bootssteg und Bootshaus am Ufer. 1961 wurden jedoch große Teile des Uferbereiches von der DDR-Regierung in Beschlag genommen, um den Mauerbau und die Errichtung von weiteren Grenzanlagen zu ermöglichen. Dabei wurde auch das eigentlich gleichmäßig abschüssig verlaufende Gelände terrassiert.
Nach der Wende entwickelte sich der frühere DDR-Grenzerweg zu einem stark frequentierten öffentlichen Weg. Dabei machte die Stadtregierung den entscheidenden Fehler. Zwar gab es Pläne, den Uferstreifen in einen öffentlichen Park umzuwandeln, doch die Umsetzung in einen gültigen B-Plan wurde versäumt. Die Verwaltung wachte erst auf, als ehemaligen Besitzer ihre Restitutionsansprüche gleich reihenweise durchsetzten und Neuerwerber von Villen ihre Grundstücke per Kaufvertrag bis zum Ufer ausdehnen konnten. Die Stadt hatte vor Gericht keine Chance, ein Vorkaufsrecht durchzusetzen und den Verkauf an private Erwerber zu unterbinden. Statt alle Grundstücke kaufen zu können, hat die Stadt bislang gar nichts erwerben können. Im Gegenteil: Auch wenn die Stadt eine Veränderungssperre für das Areal verhängt hat und diese auch juristisch Bestand hat, besteht sogar die Gefahr, dass Grundstücksbesitzer aufgrund des ungestümen städtischen Vorgehens von ihrer Zusage Abstand nehmen, wonach der Uferweg öffentlich bleiben soll.
So nimmt es nicht Wunder, dass die Stadt im Sommer der Bauvoranfrage von 19 Grundstückseigentümern aus dem Bereich Virchowstraße 7 bis 49 am Ende doch positiv beschied. Mit John Flüh wird in dieser Woche der erste Anlieger mit der Verlegung des Uferweges beginnen. Sein Nachbar wird im Januar mit den Baumaßnahmen starten. Wie Flüh sagt, stünden weitere Grundstückseigentümer bereit, einen Bauantrag zu stellen. Doch eine geschlossene Front der 19 Eigentümer, die wiederum nur einen Teil der Seeanlieger repräsentieren, ist derzeit nicht erkennbar. Einige warten ab, andere wollen nur noch auf die Gerichte setzen, um Eigentümerrechte durchzusetzen. So könnte es genau zu dem Szenario kommen, das die Stadt eigentlich vermeiden wollte: zeitlich unkontrollierte Baumaßnahmen, die immer wieder zur zeitweisen Schließung des Weges führen dürften. Nun ja, ein bisschen Kontrolle besteht doch: So musste Flüh eine Sicherheitsgebühr von 5000 Euro hinterlegen. Dieses Geld würde an die Stadt fließen, wenn er die Verlegung des Uferweges nicht bis April realisieren kann – das Ziel: Jogging-Garantie am Griebnitzsee zumindest für die warme Jahreszeit.
Anliegen der Stadt ist es nun, von der Bundesregierung wenigstens jene Grundstücke am Griebnitzsee erwerben zu können, für die kein Restitutionsanspruch besteht. Auf diesen Arealen, die keine geschlossene Fläche darstellen, könnten dann wenigstens Teile einer Parklandschaft entstehen. Dazwischen könnte es dann immer wieder Bereiche geben, wo die Öffentlichkeit lediglich den ans Wasser verlegten Uferweg nutzen kann.
Hoffentlich. Denn angesichts der Situation, in der sich die Stadt befindet, wäre dies die nunmehr noch beste aller Lösungen. Und auch die wird sich allerdings nur in Raten und auf etliche Jahre gestreckt verwirklichen lassen.
Michael Erbach
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