Sport: Jubel am Havelufer
Trotz Kanu-Gold: Jürgen Eschert kritisiert Qualifikationsmodus des Kanu-Verbandes
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Schnell aus dem Wasser, die Paddel in die Ecke gestellt und zugeschaut: Für die Kanu-Entscheidungen im Shunyi-Park in Peking unterbrachen die daheim gebliebenen Athleten des Kanu-Clubs Potsdam (KCP) gestern gern die Vorbereitung auf die Deutschen Meisterschaften. Im Bootshaus am Havelufer hatten sie alles vorbereitet, den großen Fernseher sicherheitshalber ins trockene Bootshaus gestellt und sich draußen die besten Plätze gesichert. Der Jubel musste nicht lange auf sich warten lassen: Als Fanny Fischer, Nicole Reinhardt, Katrin Wagner-Augustin und Conny Waßmuth die vierte olympische Goldmedaille nacheinander für den Deutschen Kanu-Verband erkämpft hatten, floss erst einmal der Sekt.
„Ein grandioses Rennen, die haben nichts anbrennen lassen“, freute sich auch KCP-Chef Jürgen Eschert, der auch die Leistung von Conny Waßmuth lobte. Die für Magdeburg startende Kanutin trainiert in Potsdam und war für Carolin Leonhardt ins Boot gerückt, die gesundheitsbedingt nicht starten konnte. Eine wichtige Stunde auch für den Nachwuchs des Vereins, der sich komplett vor dem Bildschirm versammelt hatte. Als Fanny Fischer aus dem Reich der Mitte die Mitstreiter an der Havel grüßte, nahmen das viele junge Kanuten sichtlich bewegt auf.
Freude kam schließlich auch auf, als der Vierer der Männer mit den beiden Potsdamern Lutz Altepost und Torsten Eckbrett sowie Norman Bröckl und Björn Goldschmidt Bronze holte. Freude – gepaart mit Kritik am Verband. Denn dieser hat sich im Vorfeld der Olympischen Spiele nach Meinung Escherts mit dem Qualifikationsmodus selbst Fesseln angelegt. „Den Medaillengewinnern des Vorjahres wurde ein Bonus eingeräumt, so dass allein der Leistungsnachweis reichte“, so Eschert. „Und so blieben Leute auf der Strecke, die in der Saison eine bedeutend bessere Leistung nachgewiesen haben als so manche, die letztlich am Start waren. Ein blöder Modus.“
Gleich in drei Bootsklassen sei mit einer anderen Herangehensweise mehr drin gewesen, so der ehemalige Kanute, der 1964 olympisches Gold im C1 über 1000 m erkämpfte. Bestes Beispiel für die Fehlbesetzung sei demnach der Einer-Canadier gewesen. In dem fuhr Andreas Dittmer im Finale über 1000 Meter auf den achten und vorletzten Platz, nachdem er über 500 m im Halbfinale ausgeschieden war. Dem Potsdamer Sebastian Brendel wurde keine Einsatzchance eingeräumt. „Im K 1 über 500 Meter wäre andererseits Lutz Altepost eine bessere Wahl gewesen als Jonas Ems, der auf den sechsten Platz kam“, so Eschert. Und schließlich der Männer-Vierer, der mit Björn Goldschmidt einen schwachen Mann im Boot hatte. „Da“, so ärgerte sich Eschert, „gibt es bedeutend stärkere Kanuten in Deutschland. Das haben wir dem Trainer auch gesagt, aber es hat nichts gebracht.“
Dennoch überwog die Freude über die Potsdamer Erfolge, und diesen sollen heute möglichst noch einige folgen. Ab halb zehn werden die Paddel wieder in die Ecke gestellt. Nur kurz, um die Rennen zu verfolgen. Danach gehts gleich wieder an die Arbeit.
Henner Mallwitz
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