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3000 arbeitslose Hochschulabsolventen hat die Arbeitsagentur Potsdam registriert / Spezialteam soll helfen
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Erst das Studium: Deutsch, Biologie und Kunst, dann zwei Jahre Referendariat und nun arbeitslos. Franziska K.* lebt von Hartz IV. Nach einem Jahr als Vertretungslehrerin an einer Potsdamer Schule sucht die 32-Jährige jetzt wieder einen Job. Ihr Berufsleben hatte sie sich als Lehramtsstudentin noch anders vorgestellt.
Bei der Arbeitsagentur Potsdam hatten sich im vergangenen Jahr fast 3000 Akademiker arbeitslos gemeldet. Rund 1700 von ihnen hatten ein Universitäts-Studium abgeschlossen, rund 1200 eine Fachhochschule. Unter den jährlich etwa 1500 Uni-Absolventen hätten es besonders die Geistes- und Kulturwissenschaftler schwer, erklärt Kirsten Mantho vom Hochschulteam der Arbeitsagentur. Das Problem: Sie haben keine klaren Berufsbilder. „Sie können alles und nichts“, sagt Mantho. Während Betriebswirtschaftler, Architekten und Ingenieure häufig gleich nach dem Studium einen Job fänden, müssten die Geistes- und Kulturwissenschaftler erst einmal Praktika in Kauf nehmen – unbezahlte meistens. Und auch der Staat fördert diese Art der Weiterbildung nicht mehr.
Nach der aktuellsten Statistik der Agentur erhalten rund 1200 der Absolventen das sogenannte Arbeitslosengeld II – wer frisch vom Studium kommt, hat noch nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Franziska, die allein wohnt, hat 345 Euro im Monat zur Verfügung plus den Mietzuschuss. Im Höchstfall gibt die Potsdamer Hartz IV-Behörde „Paga“ 370 Euro für die Wohnung dazu.
Darum, dass Potsdamer nach dem Studium eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, sollen sich Hochschulberaterin Mantho und ihre Kollegin Claudia Tennikait-Handschuh kümmern. Die beiden sitzen direkt in der Uni, am Standort am Neuen Palais. Ab diesem Semester öffnen sie dort erstmals ihre Türen für regelmäßige Sprechstunden. Ihr Ziel ist es, dass die Studenten erst gar nicht arbeitslos werden. „Wir wollen die Studierenden erreichen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“, sagt Tennikait-Handschuh. Neben den Einzelberatungen haben sie 60 Veranstaltungen für die kommenden sechs Monate organisiert. Ein- bis zweitägige Seminare zum Thema Stellen-Recherche und Bewerbungen bieten sie genauso an wie Firmenporträts. „Dieses Jahr fahren wir zu Ikea“, kündigt Mantho an. Die Studenten sollen direkt in den Unternehmen Eindrücke sammeln können. Gefragt seien auch die Informations-Veranstaltungen über Auslandsjobs. Die Beraterinnen helfen beispielsweise bei den englisch-sprachigen Bewerbungen.
Beim Einstieg ins Berufsleben helfen aber nicht nur das Hochschulteam vom Arbeitsamt, sondern auch die hochschuleigenen „Transfer-Stellen“ zur Wirtschaft, die neue Existenzgründerberatung „MediaExist“ an der Hochschule für Film und Fernsehen und der Lotsendienst der Uni. Sie betreuen all jene, die den Weg in die Selbstständigkeit wagen wollen.
Rund 15 Prozent der Universitätsabsolventen gründen eine eigene Existenz, etwa 200 ehemalige Uni-Studenten jedes Jahr, sagt Alexander Knuth vom Lotsendienst. Meist als Unternehmens- und Medienberater. Rund 50 künftige Freiberufler begleitet sein Team dabei – mit Beratungen und finanzieller Hilfe vom Staat. Der zahlt Firmengründern in der Technologie-Branche etwa bis zu 2500 Euro monatlich im ersten Jahr.
Auch Lehramtsabsolventin Franziska hat darüber nachgedacht, etwas anderes zu tun als ausgerechnet Schüler zu unterrichten. Noch hofft sie aber weiter auf eine Stelle in ihrem Traumberuf. Ihre Bewerbungen liegen bei Schulämtern in ganz Deutschland. Juliane Wedemeyer
Hochschulteam-Sprechzeiten: jeden 2. und 4. Dienstag im Monat von 9 bis 12 Uhr im Haus 6, Uni am Neuen Palais. Infos auf www.arbeitsagentur.de/potsdam.*Name geändert
Juliane Wedemeyer
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