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Aus dem GERICHTSSAAL: Junge Frau grundlos geschlagen

Verfahren gegen Geldauflage von 400 Euro eingestellt

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Lennart L.* (22) sieht aus wie ein Musterschüler: Weißes Hemd, grauer Westover, nach hinten gegelte Haare, die Hände auf der Tischplatte gefaltet. Allerdings handelt es sich um den Tisch vor der Anklagebank. Am 2. Mai vorigen Jahres soll Lennart L. im Regionalzug – kurz vor dem Halt am Bahnhof Charlottenhof – eine junge Frau geschlagen haben. Der arbeitslose IT-Systemelektroniker beruft sich auf einen Filmriss, hat aber die Bilder vor und nach dem Hieb auffallend gut im Gedächtnis. Amtsrichterin Waltraud Heep glaubt ihm nicht. Der Verteidiger bittet um eine Pause, redet seinem Mandanten ins Gewissen. Danach erklärt Lennart L. „Der Anklagevorwurf stimmt. Das ist mir furchtbar peinlich. Ich möchte mich bei der Frau entschuldigen.“ Isabella I.* (20) – das Opfer – nimmt die Entschuldigung an, erhält darüber hinaus 200 Euro von dem Angeklagten. Weitere 200 Euro gehen an die Staatskasse. Hat Lennart L. die Geldauflage von 400 Euro gezahlt, wird das Verfahren eingestellt.

Folgt man den Ausführungen des jungen Mannes, so kassierte er von einer Gruppe Betrunkener im Zug von Werder nach Berlin eine Tracht Prügel. Verletzungsfolgen waren u. a. ein abgebrochener Schneidezahn sowie ein Meniskusriss im rechten Bein, der ihn sechs Wochen außer Gefecht setzte. „Ich war mit meiner Freundin auf der Baumblüte. Wir wollten mit dem letzten Zug zurückfahren. Auf dem Bahnhof war es sehr voll. In dem Gedränge ist sie plötzlich verschwunden“, erzählt Lennart L. zu Prozessbeginn. Als der Zug kam, sei er eingestiegen, habe dann versucht, seine Partnerin zu finden. „Aber die Leute haben mich nicht durchgelassen. Stattdessen habe ich einen Faustschlag auf den Kopf bekommen. Den habe ich noch erwidert. Dann haben alle, Männer wie Frauen, wild auf mich eingedroschen.“ Warum er Isabella I. vor dem Halt auf dem Bahnhof Charlottenhof so mit der Hand gegen den Hals schlug, dass sie ein Hämatom erlitt, vermag Lennart L. nicht zu sagen. Sie gehörte eindeutig nicht zu der Gruppe der Angreifer. „Als der Zug stoppte, ist mir die Flucht gelungen. Ich habe mich im Außengelände versteckt. Irgendwann kam die Polizei und hat mich mitgenommen“, so Lennart L. Die ihm später entnommene Blutprobe wies 1,78 Promille aus.

„Beherrschen Sie sich beim nächsten Mal“, rät Richterin Heep dem Angeklagten. „Man hat nur einmal das Glück, dass ein Verfahren eingestellt wird.“ (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

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