Landeshauptstadt: „Junge Kunst kennt kein Alter“
Gespräch mit Katja Dietrich-Kröck über Gastspiele im Kunstraum und Extremfälle bei Ausstellungen
Stand:
Heute eröffnet im Kunstraum Potsdam mit „Für den Blick nach unten“ eine Ausstellung des Künstlers Rolf Julius. Was erwartet den Besucher?
Mit Rolf Julius betreten wir ein neues Terrain, das der Klangkunst. Julius gilt als einer der bekanntesten Vertreter dieser Tendenz in der Gegenwartskunst. In seinen Installationen verbindet er winzige Lautsprecher, Schälchen mit Sand oder Erde, kleine Lampen und Videomonitore und schafft etwas, das man vielleicht als audiovisuelle Naturlandschaften beschreiben könnte.
Jetzt der Installationskünstler Julius, davor der Maler Detlef Kappeler. Ist dieser Genrewechsel bewusst gewählt, um Ausstellungen im Kunstraum abwechslungsreich zu gestalten?
Bei der Kappeler-Ausstellung handelte es sich um ein Gastspiel der Stadt Potsdam. Die Ausstellung mit Rolf Julius ist wieder 100 Prozent Kunstraum. Wir versuchen möglichst unterschiedliche Genre zu beleuchten. Julius ist bewusst gewählt, da wir uns der Klangkunst bisher noch gar nicht gewidmet haben.
Warum Gastspiele?
Das Bedürfnis im Kunstraum auszustellen, ist extrem groß. Wir haben Anfragen von Künstlern, Kunstvereinen und auch von der Stadt Potsdam. Darum haben wir in unserem Konzept festgelegt, ein Gastspiel pro Jahr zu machen. In diese Gastspiele mischen wir uns inhaltlich nicht ein. Ob dies für eine Profilschärfung gesund ist, werden wir beobachten. Es kann sein, dass wir in zwei Jahren den Rhythmus der Gastspiele verändern, falls sie nicht mit unserer inhaltlichen Ausrichtung kompatibel sind.
Wie sieht die inhaltliche Ausrichtung des Kunstraumes Potsdam aus?
Wir stellen junge zeitgenössische Kunst aus. Wobei der Begriff jung nichts mit dem Alter des Künstlers zu tun hat. Es geht uns um Kunst, die sich auch immer wieder neu erfindet, die progressive Ansätze verfolgt. Aktuelle Kunst, die einfach spannend ist. Ein Schwerpunkt ist zudem Fotografie, insbesondere die Dokumentar- und auch Pressefotografie.
Warum kam es zu dem Umzug aus dem Waschhaus in die neuen Räume?
Spätestens Ende der 90er Jahre war zu sehen, dass die Bildende Kunst im Waschhaus, auch wenn die Galerie-Räume sehr schön waren, immer mehr mit anderen Bereichen kollidierte. Im Zuge der Entwicklung der Schiffbauergasse bot sich die Möglichkeit einer Ausgliederung. So konnten wir im letzten Mai die wunderschönen Räume im Kunstraum beziehen.
Mit welchen Bereichen gab es Probleme im Waschhaus?
Zum Beispiel mit dem Musikbereich, der aus Platzgründen auch immer mehr auf die Galerie zugriff. So mussten wir Ausstellungen zwei- bis dreimal abbauen. Das kann man weder dem Künstler noch seinen Werken zumuten.
Trotzdem fanden regelmäßig Ausstellungen statt?
Wir haben am Ende viel mit sehr jungen Künstlern gearbeitet, zum Beispiel in verschiedenen Streetart-Ausstellungen. Diese ließen sich mit den anderen Bereichen im Waschhaus sehr gut verbinden. Wir hatten auch ein junges Publikum erreicht, das normalerweise nicht in eine Ausstellung gehen würde. Das war ein positiver Nebeneffekt, der jetzt ein bisschen wegfällt. Wir werden nach der Sanierung des Waschhauses sehen, welche Wege wir finden, auch das junge Publikum für Kunst zu begeistern.
Was hat sich durch den Umzug noch verändert?
Vor allem der Anspruch, den wir haben und der auch von außen an uns gestellt wird. Wir setzen verstärkt auf Internationalität, was nicht heißt, dass wir keine regionalen Künstler mehr ausstellen. Wir haben mit der Ausstellung „Warten auf Europa“ des Potsdamer Fotografen Frank Gaudlitz ein enormes überregionales und auch internationales Medienecho erlebt.
Und das Publikum?
Wir erreichen durch die neuen Räume ein anderes und wesentlich größeres Publikum. Das Waschhaus hatte zum Schluss doch ein leichtes Schmuddelimage. Manche haben sich da fast nicht mehr reingetraut. Jetzt kommen auch die Theaterbesucher und Spaziergänger, die sich das neue Areal ansehen.
Macht sich das bei den Besucherzahlen bemerkbar?
Sehr deutlich. Die Attraktivität des gesamten Standortes ist ganz klar spürbar. Letztlich hängen die Zahlen natürlich immer vom jeweiligen Künstler ab. Wir hatten zum Beispiel bei der Ausstellung des Tschetschenen Sadulajew innerhalb weniger Wochen fast 4000 Besucher.
Das hat bestimmt auch mit dem derzeit noch freien Eintritt zu tun?
Ja, obwohl uns empfohlen wurde, Eintritt zu nehmen. Wir haben gezögert, weil man durch Eintritt den zufälligen Besucher verschreckt. Wenn am Eingang eine Kasse steht und es heißt pro Person drei Euro, dann bedeutet das für eine vierköpfige Familie 12 Euro, für etwas, das sie nicht kennt. Das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen einer möglichst breiten Masse unsere Ausstellungen nahe bringen. Der freie Eintritt hat da bisher hervorragend funktioniert.
Auch finanziell?
Bei der Gaudlitz-Ausstellung haben wir fast alle Kosten so eingespielt. Das gibt es natürlich eher selten.
Wie arbeitet der Kunstraum?
Wir gehören zum Waschhaus, das vom Land und von der Stadt gefördert wird, wobei wir uns zu 75 Prozent durch Einnahmen finanzieren. Darum funktioniert der Kunstraum auch nur über so genannte Quersubventionierung. So trägt beispielsweise eine Party dazu bei, dass wir ein Ausstellungsprojekt realisieren können. Dennoch ist es schwierig, den Kunstraum zu finanzieren, der wesentlich mehr kostet als die Galerieräume im Waschhaus. Dennoch ist die Förderungssumme für das Waschhaus gleich geblieben. Aus dem normalen Waschhausetat ist das kaum zu stemmen.
Wie können die Ausstellungen dann finanziert werden?
Wir stellen für jede Ausstellung Einzelprojektanträge bei unterschiedlichsten Stiftungen und Institutionen. Mit ganz viel Glück bekommen wir so zusätzlich Geld.
Wie viele Mitarbeiter hat der Kunstraum?
Nur mich und einen Zivildienstleistenden. Deshalb ist es sehr gut, das Waschhaus im Rücken zu haben. Zum Beispiel bei der Werbung, der Durchführung von Rahmenveranstaltungen oder bei der Instandhaltung bin ich immer wieder froh, wenn wir auf das Personal des Waschhauses zurückgreifen können.
Wie wird eine Ausstellung vorbereitet?
Das variiert. Wenn ich weiß, dass eine Ausstellung schon existiert und wir sie nur noch transportieren müssen, dann ist das natürlich einfacher als wenn ich eine Ausstellung komplett selbst erstellen muss. Da kann es schon mal zu Extremfällen kommen.
Die da wären?
Die Ausstellung „Verschlusssache Tschetschenien“ war so ein Extremfall. Alles, was ich hatte, war eine CD mit 1300 Bildern. Ich musste das Geld besorgen, die Bilder auswählen, bearbeiten und entwickeln lassen. Die Bilder haben wir dann mit dem Zivi und Freunden gerahmt und gehängt. Das hat mehrere Monate gedauert. Das passiert nicht sehr häufig, macht aber bei allem Stress auch sehr viel Spaß.
Wie viele Ausstellungen sind für dieses Jahr geplant?
Bei der derzeitigen Planung liegen wir bei zehn Ausstellungen im Jahr. Im Grunde sind wir bis Ende 2008 ausgebucht. Wir haben unheimlich viele Anfragen, die können wir gar nicht alle bedienen. Eigentlich wollten wir nur alle acht Wochen wechseln, inzwischen sind wir aber wieder bei vier bis sechs Wochen.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Künstlerauswahl?
Egal, ob sich ein Künstler bewirbt oder wir ihn aussuchen, er muss konzeptionell zu uns passen. Wobei natürlich auch persönlicher Geschmack eine Rolle spielt. Das lässt sich schwer in festgeschriebene Kriterien fassen. Letztlich ist natürlich auch die Finanzierbarkeit ein wichtiger Faktor bei der Auswahl.
Wie ist das Verhältnis zu den Galerien in der Stadt?
Unterschiedlich. Wir haben mit einigen privaten Galerien, wie mit Sperl und Ruhnke, sehr gute Kontakte. Mit Sperl haben wir schon zusammen gearbeitet und werden das auch dieses Jahr wieder tun. Mit dem Brandenburgischen Kunstverein, dem Kunsthaus Potsdam und dem Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. treffen wir uns regelmäßig zu Runden Tischen.
Warum?
Uns eint der Anspruch, zeitgenössische Kunst in Potsdam zu präsentieren. Es geht uns darum, die Bildende Kunst in Potsdam stärker zu verankern. Wir besprechen zum Beispiel Möglichkeiten einer besseren Vermarktung.
Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit der Stadt dar?
Mit Birgit-Katharine Seemann (Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum, Anm. d. Red.) gibt es jemanden, der auf uns zugegangen ist und gefragt hat, wie sich unsere Situation darstellt. Ich hoffe sehr, dass wir bei der Formulierung der kulturellen Leitlinien auch mit einbezogen werden. Beispielsweise in den derzeit entstehenden Expertenrunden. Der Stellenwert der zeitgenössischen Bildenden Kunst in Potsdam muss stärker betont werden, wenn sich Potsdam nicht nur als Stadt der Schlösser und Gärten verstanden wissen will.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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