Potsdam: Käfer kontra Schwimmbad
Der extrem seltene Heldbock wurde auf dem Brauhausberg entdeckt – und könnte nun die Neubaupläne für das Schwimmbad zum Scheitern bringen
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Potsdam - Ein seltener Käfer gefährdet die Pläne für den Bau des viel diskutierten Sport- und Freizeitbades sowie von 200 Wohnungen auf dem Brauhausberg. Am vergangenen Wochenende wurden Vorkommen des extrem seltenen und streng geschützten Heldbock-Käfers (Cerambyx cerdo) – auch Großer Eichenbock genannt – auf dem Brauhausberg nachgewiesen. Die Stadt stellte daraufhin jegliche Bebauung auf dem Berg infrage: „Werden dort diese seltenen Tiere gefunden, müsste geprüft werden, ob dort Wohnungen und das Sport- und Freizeitbad gebaut werden dürfen“, teilte Sprecherin Regina Thielemann auf PNN-Anfrage am Montag mit. Auf Nachfrage ergänzte sie noch, nach einer Umweltprüfung werde entschieden, „ob gebaut werden kann oder nicht“. Und: „Wenn keine Wohnungen gebaut werden können, kann auch das Freizeitbad nicht gebaut werden.“
Am Dienstag ruderte die Stadt zurück: Nun teilte sie mit, dass mit dem Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) 2011 eine Einigung erzielt worden sei, dass auf den Grünflächen hinter dem bestehenden DDR- Schwimmbad keine Untersuchungen anzustellen seien, da diese im Bebauungsplan als Grünflächen festgesetzt werden sollen. Für den B-Plan sei „das mögliche Auffinden eines Heldbockkäfers“ auf der angegebenen Fläche daher „in keiner Weise planungsrelevant“.
Beim Landesumweltamt ist man anderer Meinung: Der Heldbock-Käfer sei in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union aufgeführt und somit streng geschützt. An der Erstellung des neuen B-Plans für den Brauhausberg müsse das Amt beteiligt werden. Gegebenenfalls müsse über eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Brauhausberg-Bebauung verhandelt werden, so Behördensprecherin Doris Lorenz. Der Käfer sei in der Bundesrepublik in einem „schlechten Erhaltungszustand“ und in Brandenburg in einem „unzureichenden Erhaltungszustand“: „Das heißt, dass das Land in der Pflicht steht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den Erhaltungszustand zu verbessern.“
Gefunden wurde der Heldbock ausgerechnet von Mitgliedern der Bürgerinitiative Pro Brauhausberg während eines Arbeitseinsatzes am vergangenen Sonnabend. Pro Brausberg hatte sich bei der Bürgerbefragung zum Bad-Standort im April und Mai 2012 vehement für den Brauhausberg ausgesprochen. Tatsächlich entschieden sich 65,2 Prozent der Befragten für den Brauhausberg, 32,7 Prozent entfielen auf den Volkspark im Bornstedter Feld. Pro-Brauhausberg-Protagonist Thomas Hintze erklärte, anfangs sei Pro Brauhausberg für eine Sanierung der alten DDR-Schwimmhalle auf dem Brauhausberg und den Bau eines kleinen Bades am Volkspark gewesen. Erst beim Workshop-Verfahren im Vorfeld der Bürgerbefragung habe sich parteiübergreifend die Tendenz durchgesetzt, ein großes Bad zu bauen, die Frage sei nur, wo? Nach dem Käfer-Fund spricht sich Hintze nun für den „Schutz des einzigartigen Biotops“ in der Innenstadt aus, zumal dort nach dem Großen Mausohr – eine Fledermaus – und dem Mittelspecht nun schon die dritte geschützte Art entdeckt wurde. Der Brauhausberg müsse „als Innenstadt-Oase belassen werden“, forderte Hintze.
Der Heldbock ist „ein Riesenviech mit langen Antennen“, erklärte der Chef-Entomologie des Naturschutzbundes (Nabu), Werner Schulze. Man könne sich bei der Bestimmung kaum vertun. Das Tier sei mehrfach geschützt; der Käfer stehe nicht nur einfach so in der Bundesartenschutzverordnung, sondern sei dort „extra fett gedruckt“ – bei Verstößen „wäre das Strafmaß größer“. Ferner schütze die FFH-Richtlinie den Käfer. Die besiedelten Bäume müssten „grundsätzlich stehen bleiben“, sagte Schulze. Etwas wehmütig ergänzte der Bielefelder Käferexperte: „In Nordrhein-Westfalen ist der Heldbock das letzte Mal vor 150 Jahren gefunden worden.“
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