Aus dem GERICHTSSAAL: Kaffee-Klau in großem Stil
Zwei junge Männer nicht sicher als Täter wiedererkannt
Stand:
„Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht fest, dass überhaupt nichts feststeht“, resümiert Amtsrichterin Waltraud Heep nach knapp zweistündiger Prozessdauer. Eigentlich hatte sie einen ganzen Tag reserviert, um die Wahrheit um den vermeintlichen Diebstahl von 24 Packungen „Jacobs Krönung“ im Wert von gut 100 Euro aus einem Supermarkt ans Licht zu bringen. Ein Dutzend Zeugen war geladen, doch schon nach dem Vierten war klar: Dem Duo auf der Anklagebank dürfte der Coup nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu beweisen sein. Freispruch!
Es sprach viel dafür, dass Mario M.* (25) und Elias E.* (23) am 22. Januar vorigen Jahres gemeinsam geplant hatten, das Kaffeeregal des Discounters leer zu räumen, die Beute anschließend zu verkaufen, um ihr Arbeitslosengeld aufzubessern. Während der Verhandlung, nach knapp eineinhalb Jahren, können die Zeugen nicht mehr hundertprozentig sagen, ob die zwei jungen Männer auf der Anklagebank die Täter waren. Mario M. und Elias E. schweigen auf Anraten ihrer Anwälte. Das ist ihr gutes Recht. „Die zwei Kunden waren kräftig, solariengebräunt und richtig zurechtgemacht. Sie wirkten seriös, nicht so leger wie die Angeklagten“, erinnert sich Verkäuferin Brigitte B.* (46) im Zeugenstand. „Sein Outfit kann man ändern“, gibt die Vorsitzende zu bedenken.
„Als der Alarm ausgelöst wurde, bin ich schnell in den Verkaufsraum gelaufen“, erzählt die damalige MarktleiterinAnnika A.* (28). „Leider habe ich die vermeintlichen Diebe nur von hinten gesehen, weil sie geflüchtet sind.“ Auch sie spricht von großen, kräftig gebauten Personen. Elias E. ist lang und dünn, Mario M. etwas kompakter. Stefan S.* (26) wollte soeben den Laden betreten, als er beinahe von zwei Männern über den Haufen gerannt wurde. Einer trug einen prall gefüllten Rucksack. „Kurz danach kam eine Verkäuferin und sagte, die haben Kaffee geklaut“, so der Jungunternehmer. „Ich habe dann gesagt, ich renne mal hinterher. Aber ich bin nur bis zur nächsten Ecke gekommen. Dann habe ich sie nicht mehr gesehen.“ Später sei einer der Flüchtigen normalen Schrittes zu einem in der Nähe geparkten VW Golf gegangen, eingestiegen und weggefahren. „Ich habe mir aber das Kennzeichen notiert.“ Auch dieser Zeuge kann die Angeklagten optisch nicht mit den mutmaßlichen Langfingern in Übereinstimmung bringen. „Der Vorwurf des gemeinschaftlichen Diebstahls lässt sich nicht aufrechterhalten“, konstatiert auch die Vertreterin der Anklage. Viel Aufwand für ein unbefriedigendes Ergebnis. Die Kosten – auch die vielen nicht gehörten Zeugen müssen entschädigt werden – trägt der Steuerzahler (* Namen geändert). Hoga
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