
© B. Sell
Landeshauptstadt: Kahlschlag überm Wohnzimmer
Nabu sorgt sich um Biber, weil Landesumweltamt Nuthe-Ufer abholzen lässt
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Auch an der Potsdamer Nuthe fühlt sich der Elbebiber wohl. So wohl sogar, dass seine Population in den vergangenen acht Jahren deutlich zugenommen hat. Jetzt aber hat der Wasser- und Bodenverband Nuthe-Nieplitz im Auftrag des Landesumweltamtes eine Schneise durch die neue Heimstatt gezogen und damit nach Ansicht des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) das Fortbestehen der Biberkolonie gefährdet.
Mitten in einem Biberrevier gegenüber dem Schlaatz hat das Landesumweltamt auf einer Länge von knapp 1,5 Kilometern beinahe den gesamten Uferbewuchs entfernen lassen und dabei mit einem Kettenbagger an mehreren Stellen Biberbauten beschädigt, kritisieren die Naturschützer. „Der Eingriff ist völlig überdimensioniert und nicht nachvollziehbar“, sagte der Geschäftsführer des Nabu-Kreisverbandes Potsdam, Wolfgang Ewert, am Donnerstag den PNN.
Laut Ewert wurde der Kahlschlag entlang dem rechten Nuthe-Ufer mit notwendigen Maßnahmen für den Hochwasserschutz begründet. Abgeschnitten und abgesägt wurden allerdings auch zahlreiche kleinere Bäume und Sträucher abseits vom Ufer sowie tiefer hängende Äste, die offensichtlich nicht ins Wasser reichten. „Das ist ein FFH-Gebiet und da gibt es gewisse Regeln. Außerdem genießt der Biber den höchsten Schutzstatus“, so Ewert. „Das heißt, sein Lebensraum darf nicht zum Schlechteren verändert werden. Wir hätten im Vorfeld gehört werden müssen.“ In jedem Fall werde er seinem Vorstand vorschlagen, das Vorgehen rechtlich prüfen zu lassen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen, sagte der Nabu-Kreisverbandschef.
Lange galt der Elbebiber (Castor fiber albicus Matschie) in Deutschland als fast ausgerottet. Mittlerweile ist er zumindest in Brandenburg wieder flächendeckend zu Hause. Den Naturschützern zufolge leben derzeit auf Potsdamer Stadtgebiet rund zehn Tiere entlang der Nuthe.
Vor allem so kurz vor Beginn des Winters sei der Eingriff des Wasser- und Bodenverbandes problematisch. „Vor allem Weidensträucher wurden entfernt. Die sind aber im Herbst die wichtigste Nahrung für die Biber. Damit frisst er sich den Winterspeck an“, sagte Burghard Sell, der die Biber an der Nuthe bereits seit ihrer Rückkehr nach Potsdam 2006 beobachtet. An mehreren Stellen am Nuthe-Ufer hat er auch größere Schäden an den Bauten der Nager festgestellt. Wenigstens an zwei Stellen seien Gänge der Biber und deren sogenannte Kessel, also Wohnzimmer, unter dem Gewicht des Kettenbaggers sichtbar eingestürzt.
Sowohl das Landesumweltamt als auch den Wasser- und Bodenverband und die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Potsdam hatten die Naturschützer für gestern zu einem Vor-Ort-Termin eingeladen. Gekommen war keiner. Auf PNN-Anfrage erklärte das Landesumweltamt: „Auch wir haben uns im Vorfeld Gedanken gemacht, ob der aus wasserwirtschaftlicher Sicht notwendige Gehölzschnitt den Biber beeinträchtigen könnte. Unsere Experten kamen zur Einschätzung, dass er in diesem Umfang unschädlich sei.“ Notwendig sei der Beschnitt, „ um das für die schadlose Abführung von Hochwasserdurchflüssen erforderliche Abflussprofil der Nuthe im Stadtgebiet von Potsdam zu erhalten“.
An ein Nuthe-Hochwasser kann Sell sich nicht erinnern. Ratlos ist er auch, weil zwar die Weiden beschnitten wurden, verkeiltes Treibholz im Wasser aber nicht entfernt worden ist. Alarmiert wurden die Naturschützer nach eigenen Angaben von Anwohnern des Schlaatz. „Viele kommen in der Dämmerung immer wieder her und beobachten von der anderen Uferseite aus die Biber“, sagte Biber-Experte Sell.
Er selbst habe den Kahlschlag erst am Montag entdeckt. „Da waren die Arbeiter aber leider schon fast fertig.“ Matthias Matern
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