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Die Bundesregierung will den Paragrafen aus dem StGB streichen.

© Andreas Gebert/dpa

Abschaffung des Majestätsbeleidigungsparagrafen: Kann das weg?

An der Uni Potsdam haben Rechtswissenschaftler über die geplante Streichung der sogenannten Majestätsbeleidigung aus dem Strafgesetzbuch diskutiert - und sich dabei gegen die Reform ausgesprochen.

Rechtswissenschaftler warnen vor einer übereifrigen Abschaffung des sogenannten Majestätsbeleidigungsparagrafen. Dass die Strafrechtsnorm, in einer Regierungserklärung. Das aber sehen Rechtswissenschaftler, die am vergangenen Freitag zu einer Vortragsveranstaltung an der Universität Potsdam zusammenkamen, anders.

In der Debatte um die Streichung der Strafrechtsnorm müsse man zunächst einmal klären, welches Rechtsgut durch sie geschützt werde, sagte Alexander Heinze, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen. Denn anders als es oftmals vermutet werde, ist Paragraf 103 StGB keine Spezialform der Beleidigung. Das ergibt sich aus der Systematik des Strafgesetzbuches. Wenn der Paragraf eine Spezialform der Beleidigung wäre, müsste er aus Gründen der Rechtssystematik im 14. Abschnitt, also bei den Beleidigungsdelikten, beginnend bei Paragraf 185, geregelt sein. Der Gesetzgeber aber regelt die sogenannte Majestätsbeleidigung – im Gesetz „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ genannt – im dritten Abschnitt des Strafgesetzbuches. Überschrift: Straftaten gegen ausländische Staaten.

Die Botschaft: Wir schützen auch ausländische Rechtsgüter

Ein übliches Argument, mit dem Juristen oftmals eine solche Abschnittsüberschrift abtun, sei, dass es sich um einen Redaktionsfehler handele, so Heinze. Das aber sei auszuschließen, sagte er. Denn: Als der Abschnitt 1953 – wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz neu gefasst wurde, sei es dem Gesetzgeber darum gegangen „vom staatlichen Einzelgängertum etwas wegzugehen und zu sagen, ,wir wollen Teil der staatlichen Solidargemeinschaft sein.‘“ Die Botschaft: Wir schützen auch ausländische Rechtsgüter. Ein Motiv könnte dabei auch gewesen sein, dass man sich gute Beziehungen zu anderen Staaten erhoffte, sagte Heinze. „Aber von einem Motiv muss man nicht automatisch auf das Rechtsgut schließen.“

Einige Juristen argumentieren noch mit der alten Abschnittsüberschrift: Zum Erlass des Strafgesetzbuches im Jahre 1871 lautete diese „Feindliche Handlungen gegen befreunde Staaten“. Damit sollten tatsächlich die Beziehungen zu anderen Staaten geschützt werden. Ein rein inländisches Schutzgut: die deutschen Beziehungen zu anderen Nationen. Aber: In Paragraf 104a des Strafgesetzbuches – dort ist unter anderem geregelt, dass die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach Paragraf 103 erteilen muss – wird als Voraussetzung von Ermittlungen auch ein Strafverlangen der ausländischen Regierung genannt.

Das nötige Strafverlangen deutet auf ein ausländisches Rechtsgut hin

Wenn es nach Auffassung einiger Juristen aber um ein inländisches Schutzgut geht, stelle sich die Frage, warum die ausländische Regierung ein solches Strafverlangen stellen muss, so Heinze. Das Strafverlangen sei mit einem Strafantrag vergleichbar, wie er bei einer „einfachen“ Beleidigung notwendig ist. Und der Strafantrag müsse von demjenigen gestellt werden, dessen Schutzgut verletzt ist. Die zwingend logische Konsequenz: Paragraf 103 schützt in erster Linie ein ausländisches Rechtsgut. Die Ehre des jeweiligen Staates. Durch die Streichung der Norm würde eine Schutzlücke entstehen.

Diese Gedankenanstöße waren es, die viele der Zuhörer – vor allem Jurastudenten und Juristen – umstimmen konnten. Votierten vor Beginn der Vorträge noch 38 der 61 abstimmenden Zuhörer für eine Abschaffung des Paragrafen 103, war es am Ende nur noch eine Handvoll. Die anderen hatten ihre Meinung geändert. Darunter auch der Potsdamer Strafrechtsprofessor Wolfgang Mitsch.

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