Sport: Karten, Pfeife und Respekt
Erik Nehls aus Stahnsdorf will als Schiedsrichter einmal in der Bundesliga Spiele leiten
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Für Erik Nehls ist inzwischen zu einem wahren Ritual am Ende der Woche geworden – das Packen der Tasche. Die Gelbe und Rote Karte haben da ihren festen Platz, zwei Stifte, eine Ersatzuhr zur Sicherheit, drei Trikots in den Farben schwarz, rot und gelb, eine Spielnotizkarte und natürlich die Pfeife. Erik Nehls ist auf jedes Spiel bestens vorbereitet. Bis vor einem Jahr war der inzwischen 15-Jährige noch Spieler beim SC Saarmund , ließ sich dort von seinem Trainer überzeugen, auch in die Schiedsrichterrolle zu schlüpfen , absolvierte eine zweiwöchige Ausbildung und ist seitdem neben seinen eigenen Spielen gefürchteter und geliebter Mann zugleich auf dem Feld.
„Inzwischen spiele ich beim Teltower FC, weil das einfach näher dran ist“, sagt der Neuntklässler aus Stahnsdorf, der das Babelsberger Filmgymnasium besucht. „Den Schiedsrichterjob mache ich aber nach wie vor sehr gern, auch wenn es so manche Höhen und Tiefen gibt.“ Die Prüfung hatte er damals mit Bravour bestanden. Rund 30 Fragen waren theoretisch zu beantworten – und die waren nicht ohne. Was ist beispielsweise zu tun, wenn ein Hund aufs Spielfeld läuft, er angeschossen wird und der Ball ins Tor geht? Es zählt nicht, Erik und seine Kollegen müssten auf indirekten Freistoß entscheiden. In der praktischen Prüfung gab es ebenfalls keine Probleme – ein Wechsel von 500 Metern Sprint und Joggen waren für den durchtrainierten Verteidiger und Mittelfeldakteur keine große Hürde.
Die Praxis war schließlich die eigentliche Herausforderung. Bei den 13- und 14-jährigen C-Junioren wurde Erik Nehls zum ersten Mal eingesetzt und machte schnell eine wichtige Erkenntnis. „Mit den Spielern hat man meist keine Probleme bei kniffligen Entscheidungen. Aber die Trainer und Eltern können dir das Leben als Schiedsrichter oft schon sehr schwer machen. Wenn ich mein erstes Spiel nochmal pfeifen dürfte, würde ich heute beiden Trainern Rot zeigen. “
Leute wie Erik Nehls könnte der Fußball-Landesverband weitaus mehr gebrauchen. Im gesamten Land Brandenburg sind derzeit 1928 Schiedsrichter, davon 32 Frauen aktiv. Auf den Kreis Havelland-Mitte entfallen davon 180 Schiris und allenfalls sechs Frauen. „20 Jungschiedsrichter unter 18 Jahren haben wir im Kreis, und es könnten natürlich noch viel mehr sein“, sagt Dieter Wolff, Schiedsrichter-Ansetzer des Landesverbandes. Er weiß um die Problematik, die jungen Leute auch in ihrem Amt zu halten. Die meisten von ihnen spielen selbst Fußball und übernehmen die Rolle als Referee in ihrer Freizeit. „Von 20 ausgebildeten Schiedsrichtern bleiben vielleicht drei bei der Sache“, weiß Wolff aus Erfahrung. „Es ist ja auch nicht leicht für die Jugendlichen. Einerseits haben sie es mit Gleichaltrigen zu tun und müssen Autorität beweisen. Und dann kommt dieser Druck von den zuschauenden Eltern und den Trainern. Da braucht man oft ein hartes Fell.“ Leute wie Stefan Lupp hätten das geschafft. Der Zossener ist der höchstqualifizierte Schiedsrichter des Landes, fällt seine Entscheidungen in der Oberliga und war zuletzt als Assistent beim Europa-League-Spiel zwischen Lok Moskau und Sturm Graz eingesetzt.
Da will auch Erik Nehls einmal hin. Nach guter Bewährung in der C-Jugend der Kreisklasse und Kreisliga darf er inzwischen in der Landesklasse dieses Altersbereichs pfeifen – seinen ersten Auftritt im Spiel Falkensee gegen Brieselang am vergangenen Wochenende brachte er gut über die Runden. „Wichtig ist, dass ich mir in der Landesklasse Respekt verschaffe“, sagt er. „Sowohl bei den Spielern, als auch bei den Trainern. Wenn sich heute einer aufregt, sage ich: ‚Ich habe ihre Meinung zur Kenntnis genommen‘ und ziehe mein Ding durch.“ Und der Druck? Den leugnet auch ein Nachwuchs-Schiedsrichter wie er nicht. „Ich sage mir einfach, dass es ein lockeres Spiel wird und dass die Saison noch lange andauert. Ein bisschen Anspannung muss sein, die habe ich als Spieler weniger.“
Berichte über mentale Probleme bei seinen älteren Kollegen, die wie erst kürzlich bei Babak Rafati gar in einem Selbstmordversuch gipfeln können, prallen an dem jungen Nachwuchs-Schiri ab. „Ich will später einmal in der Bundesliga pfeifen“, sagt er. Im Vorfeld ist dafür die Landesklasse der C-Jugend ein gutes Pflaster.
Henner Mallwitz
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