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Landeshauptstadt: Kaum Budget-Anträge

Behinderten-Beratung im „Haus der Begegnung“

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Das persönliche Budget, das behinderten Menschen mehr Selbstbestimmung sichern soll, wird in Potsdam weiterhin kaum nachgefragt. Das machte Nina Waskowski vom Potsdamer Behindertenverband e. V. am Samstag im „Haus der Begegnung“ deutlich. Anlass war ein Informationstag zur Budget-Regelung. Doch bis jetzt wurden nur 40 Anträge auf so ein Budget gestellt, so Waskowski – und 17 davon genehmigt, allerdings nur für jeweils einen Teilbereich der Leistungen. Ein komplettes, trägerübergreifendes Budget für alle Leistungen besitzt noch kein Potsdamer Behinderter – obwohl in der Landeshauptstadt derzeit rund 20 000 Schwerbeschädigte wohnen.

Seit 2008 besitzen Behinderte einen Rechtsanspruch auf ein so genanntes persönliches Budget: Mit ihm verfügen sie selbständig über finanzielle Mittel, die ihnen je nach Art und Grad der Behinderung zustehen. Das sind Leistungen der Krankenkassen, Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Hilfen zur Pflege und Mittel, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, beispielsweise Veranstaltungsbesuche.

Waskowski, Potsdams einzige zertifizierte Budgetberaterin, erläuterte dem Publikum im „Haus der Begegnung“, Zum Teufelssee 30, den schwierigen Weg von der Antragstellung über die Bedarfsermittlung, eine abzuschließende Zielvereinbarung und schließlich den Bewilligungsbescheid. Sie riet dazu, sich für den langwierigen Prozess, der oft durch die Bürokratie behindert werde, professionelle Hilfe zu suchen. Allerdings gebe es in Potsdam trotz der Bemühungen des Behindertenverbandes noch immer keine feste Beratungsstelle. Waskowski empfahl den Interessenten, sich in Potsdam an AOK und Barmer, die Innungskrankenkasse (IKK) oder die Rentenberatung zu wenden. Dort habe man sich bisher zumindest hilfsbereit gezeigt.

Als ungefähre Höhe für ein persönliches Budget werden im Durchschnitt 200 bis 800 Euro monatlich genannt. Die Regelung eröffnet Möglichkeiten, die vielen Behinderten bisher nicht bekannt sind. So kann der Pflegedienst frei gewählt werden. Behinderte können etwa „Assistenten“ (Helfer) beschäftigen und sich so den Weg ins Pflegeheim ersparen. Der Behinderte kann dabei sogar als Arbeitgeber für seine Assistenten wirken. Als Beispiel nannte Budgetberaterin Waskowski einen Querschnittsgelähmten, der rund um die Uhr betreut und beatmet werden muss und vier Assistenten sowie drei Teilzeitkräfte eingestellt hat. Die Kosten dafür betragen monatlich mehr als 22 000 Euro. Von diesem Extremfall abgesehen: Die durch das Budget ermöglichte Wahlfreiheit stößt laut Waskowski bei etablierten Pflegeunternehmen allgemein auf Widerstand, da sie wirtschaftliche Einbußen befürchten. So würden einige Pflegeleistungen auch an Budgetinhaber nach wie vor nur als Gutscheine vergeben, die an ein Sozialunternehmen gebunden sind. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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