
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Kein Bestandsschutz für Kleingärten
Gericht hält Räumung im Glienicker Winkel für rechtmäßig. Grundstückseigner setzen Schonfrist
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Potsdam - Im langjährigen Streit um eine geplante Wohnbebauung auf Kleingartenland im nördlichen Babelsberg haben die Gegner der Bauvorhaben vor Gericht verloren. Damit ist das Aus einer dauerhaften Nutzung der Grundstücke als Kleingärten besiegelt. Das geht aus einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Potsdam hervor. Demnach setzten sich die klagenden Grundstückseigentümer im Glienicker Winkel durch, wonach die Räumung der Parzellen sowie die Kündigung des Kreisverbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) als Zwischenpächter rechtmäßig sind. Auch die Stadtverwaltung will nun einen Bebauungsplan, in dem die Kleingärten möglicherweise als Grünanlage gesichert wären, nicht weiter verfolgen. Aktuell sind laut Stadtverwaltung acht Parzellen betroffen, es gebe schon zwei sogenannte Bauvoranfragen. Genehmigungen wurden noch nicht erteilt.
Schon seit 2009 diskutieren Stadtverordnete und die Verwaltung über die Kleingärten in Babelsberg. Vor allem die Linkspartei und die SPD setzten sich dafür ein, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird, durch den die Kleingärten geschützt werden – ebenso wie die südlich davon liegenden, weitaus größeren Kleingartenanlagen zwischen Karl-Liebknecht-Straße, Concordiaweg und Bruno-H.-Bürgel-Straße. „Wir haben noch nicht aufgegeben“, sagte dazu Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Auch er deutet aber an, dass es vor allem um die größeren Anlagen südlich des Glienicker Winkels geht.
Dieser wird jetzt als ganz normales Bauland angesehen, wie auch in einer Sitzung des Bauausschusses im Februar deutlich wurde. Eine entsprechende Mitteilung der Stadt nahmen die Stadtverordneten zur Kenntnis. Demnach will die Stadt für den Glienicker Winkel auf einen B-Plan verzichten, da sonst Schadensersatzansprüche durch die Eigentümer der Grundstücke geltend gemacht würden. Allerdings soll der südliche Kleingartenbereich bis zum Concordiaweg weiterhin durch einen B-Plan geschützt werden.
Die Wut ist jetzt groß bei den Kleingärtnern in Potsdam. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt wecke ohnehin Begehrlichkeiten bei Grundstückseigentümern, sagte der Geschäftsführer des Kreisverbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) Potsdam, Friedrich Niehaus. Als Beispiele nannte er neben dem Glienicker Winkel die Sparten „Angergrund“ und „Süd-West“ am Horstweg. Unübersehbar macht sich aber auch Resignation im Glienicker Winkel breit. Die Eigentümer wollten „nach Wessi-Manier“ Fakten schaffen, so Niehaus. „Wir fühlen uns verraten und verkauft“, sekundierte Andreas Hausdorf, Mitglied des Vereinsvorstandes des Kleingartenvereins Glienicker Winkel. Man habe die Pächter jahrelang über den Tisch gezogen, ärgert er sich.
Dabei räumten beide eigene Fehler ein. So seien die Parzellen nach der Wende 1990 nicht vom Verein gekauft worden. Derzeit umfasst der einen Hektar große Gartenverein laut Stadtverwaltung 19 Parzellen, fünf werden noch von den Altpächtern zum dauerhaften Wohnen genutzt. Bei einer Räumung müssten sie sich eine andere Bleibe suchen. Einzelne Parzellen wurden zwischenzeitlich von den jeweiligen Pächtern auch gekauft. Diese sind zwar formell noch Teil des Vereins, die Eigentümer haben aber kein Interesse an einer kleingärtnerischen Nutzung. Rechtlich stehen Gärten im Eigentum der Nutzer aber nicht unter dem Schutz des Bundeskleingartengesetzes.
Die Parzellen liegen an der Hermann-Maaß-Straße inmitten einer Siedlung von Einfamilienhäusern und sind im Privateigentum – einer Erbengemeinschaft und mehreren Babelsberger Familien, die einige der Grundstücke gekauft hatten und dort jetzt Häuser für sich errichten wollen, wie deren Vertreterin Birgit Wille sagte. „Wir sind miteinander befreundet und würden hier gerne bauen.“ Es handele sich bei den Eigentümern aber nicht um gewinnorientierte Investoren. Das seien „Schreckgespenster“.
Den Bauvorhaben steht derzeit noch eine Veränderungssperre entgegen, die im Juni ausläuft. Bis dahin werden keine baulichen Veränderungen genehmigt. Dass im Sommer die Bagger anrollen, ist ebenfalls unwahrscheinlich. „Wir rechnen nicht damit, dass dieses Jahr noch etwas passiert“, sagte Wille. Außerdem wollen sich die Eigentümer zuvor mit den Pächtern einigen. Es habe bereits „erste Kontaktaufnahmen“ gegeben. Diese Gespräche will nun auch die Stadt abwarten. „Es soll nicht von heute auf morgen geräumt werden“, so Wille. Vor allem diejenigen, die hier ihren Lebensmittelpunkt hätten, würden nicht vor die Tür gesetzt. Wille könnte sich vorstellen, dass den Pächtern ein Nutzungsrecht für eine bestimmte Laufzeit eingeräumt wird. „Sie können die Grundstücke auch selbst zu marktüblichen Preisen kaufen und dort bauen.“
Für die Stadt ist der Glienicker Winkel ohnehin ein Einzelfall und kaum übertragbar auf andere Kleingärten. Laut einer Risikoanalyse bestehe für einen Anteil von lediglich knapp zwei Prozent der Kleingartenfläche in Potsdam ein Risiko der Umwandlung in Bauflächen, so Sprecher Schulz. Darin sei der Glienicker Winkel schon enthalten.
Stefan Engelbrecht
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