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Freiwillig. Jens Knöchel arbeitet als Bufdi in der Landschaftspflege.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Kein Ersatz für den Zivildienst

Die sogenannten Bufdis sind in Potsdam beliebt, aber zu rar. Auch Bereich Grünflächen sucht Freiwillige

Von Katharina Wiechers

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Pünktlich zum Frühlingsbeginn herrscht auf der Freundschaftsinsel Hochbetrieb: Etwa ein Dutzend Gärtner schneidet Stauden zurück, beseitigt die letzten Laubreste und befreit Blumenbeete vom Wintergrün. So kurz vor Saisonbeginn könnte Thoralf Götsch, Argeitsgruppenleiter des Bereichs Grünflächen in Potsdam, eigentlich jede helfende Hand gebrauchen. Doch zusätzliches Personal kann sich die Stadtverwaltung nicht leisten und vor eineinhalb Jahren wurde zudem auch noch der Zivildienst abgeschafft. Zehn Arbeitskräfte fielen dadurch allein im Bereich Grünflächen weg, wie Götsch berichtet. Auch Potsdamer Wohlfahrtsorganisationen, Pflegedienste, Alten- oder Kinderheime müssen seitdem ohne die Zivis kalkulieren, die jahrzehntelang als günstige Arbeitskräfte zur Verfügung standen.

Das Aus für den Zivildienst kam am 1. Juli 2011, als in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Statt des für junge Männer verpflichtenden Dienstes wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt, der die wegbrechenden Arbeitskräfte in den Einrichtungen auffangen sollte. Diesen können alle ableisten, die die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben – je nach Bundesland ist das mit 15 oder 16 Jahren der Fall. In der Regel dauert der Bundesfreiwilligendienst zwölf Monate, mindestens jedoch sechs und höchstens 18 Monate. Das Gehalt liegt bei höchstens 348 Euro.

Im Potsdam sind derzeit 71 Bundesfreiwillige tätig, wie eine Sprecherin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben auf PNN-Anfrage sagte. Darunter sind 41 Männer und 30 Frauen, gut die Hälfte aller ist unter 27 Jahre alt. Als der Zivildienst 2011 abgeschafft wurde, gab es in Potsdam 308 mögliche Zivildienstplätze, von denen aber nicht ständig alle besetzt waren. Dennoch – zahlenmäßig ausgleichen konnte der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst in Potsdam bislang nicht.

Das ist auch beim Bereich Grünflächen in Potsdam der Fall: Derzeit arbeiten dort drei Bufdis. Doch obwohl sie die Arbeit der einst zehn Zivis natürlich nicht leisten können, ist Götsch sehr zufrieden mit den Freiwilligen. „Unsere bisherigen Erfahrungen sind extrem gut“, sagt er. Während bei den Zivis der ein oder andere ein wenig lustlos bei der Arbeit gewesen sei, seien die Bufdis voll bei der Sache – schließlich hätten sie sich ja freiwillig für das Programm entschieden. „Sie arbeiten voll mit, zeigen großes Interesse und bereichern das Team“, sagt Götsch.

Dieses Lob gilt auch Jens Knöchel, der seit 1. März seinen Bundesfreiwilligendienst in Götschs Team leistet. Der 36-Jährige kommt aus dem Baugewerbe und wollte sich neu orientieren, wie er erzählt. Da er für eine Ausbildung zu alt sei, habe er sich für den Bundesfreiwilligendienst entschieden. Schon jetzt weiß er: „Das liegt mir besser.“

Ab August könnte sich die Lage bessern: Dann stehen dem Bereich Grünflächen vier weitere Bufdi-Stellen zur Verfügung. Bereichsleiter Herbert Claes hofft, dass sich viele Bewerber melden. Seiner Meinung nach bietet der Dienst gerade für junge Menschen die Chance, sich zu orientieren und erste Erfahrungen in einem bestimmten Bereich zu sammeln. Sowohl in der Landschaftspflege als auch in der eigenen Tischlerei oder bei der Spielplatzwartung könnten die Bufdis mitarbeiten. Voraussetzung sei aber, dass die Betreffenden für ein ganzes Jahr verpflichteten. Vorkenntnisse seien nicht zwingend. Für zarte Seelen ist die Arbeit auf der Freundschaftsinsel aber nichts: Dienstbeginn ist um 6.30 Uhr, und am Wochenende ist Müllaufsammeln angesagt. Katharina Wiechers

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