Von Jan Brunzlow: Kein Konsens am Versöhnungsort
Grundsatzentscheidung der Kommunalpolitik über Entwicklung im Kirchsteigfeld erwartet
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Kirchsteigfeld - Es ist ausgerechnet die Versöhnungskirche im Kirchsteigfeld, in der das Gespräch stattgefunden hat. Ein passender Ort für die zerstrittenen Parteien, die um die Art der Entwicklung des Gewerbeareals zwischen Potsdams größtem Neubaugebiet der 90er Jahre und der Autobahn A 115 ringen. Die Fläche, auf der nach bisherigen Planungen Potsdams größter Einkaufspark entstehen sollte, steht vor einer Entwicklung. Am Freitagabend und Samstagvormittag prallten die Verfechter konträrer Entwicklungs-Varianten aufeinander. Den angestrebten Konsens gab es unter dem Dach der Kirche allerdings nur in wenigen Punkten. Allein eins ist allen der 30 Beteiligten klar geworden: Am Ende muss es eine politische Entscheidung geben, in welcher Form die Stadt sich in diesem Teil entwickeln soll – denn die Projektentwickler, Bürger, Verwaltungsmitarbeiter und verschiedenen Interessenverbände werden sich nicht einigen können.
WAS SOLL ENTWICKELT WERDEN?
Seit Ende der 90er Jahre stehen die Gewerbeflächen im Kirchsteigfeld frei. Geplant war auf den 7,5 Hektar einst ein Dienstleistungszentrum mit riesigen Gewerbeflächen. An einer Stelle darf sogar ein Bürohaus mit bis zu 16 Stockwerken gebaut werden. Allerdings hat es in den letzten Jahren nur eine Ansiedlung gegeben – das Unternehmen „Potsdamer Anlagenbau und Kältetechnik“ hat sich seine Zentrale dort errichtet. Nun haben die Projektentwickler „Dr. Aldinger & Fischer“ aus Berlin in den letzten Monaten fast alle Grundstücke gekauft, selbst den elf Hektar großen Wald zwischen Kirchsteigfeld und Trebbiner Straße, dem Anschluss zur Autobahnausfahrt Potsdam- Drewitz. Sie wollen die gesamte Fläche nebst Wald entwickeln, am liebsten mit Einzelhandel. 44 000 Quadratmeter Handelsfläche sollten entstehen, doch die Pläne sind nicht realisierbar. Entwickler- Vertreter Jochen Ehlers sagte am Samstag: „Das ist politisch derzeit nicht durchsetzbar.
WER VERFOLGT WELCHE INTERESSEN?
Die Projektentwickler um Henrik Aldinger wollen das gesamte Areal nutzen und einen Großteil des Waldes abholzen. Ihr Kompromiss: Die bisherigen Gewerbeflächen bleiben Gewerbeflächen, die jetzigen Waldflächen werden Einzelhandelsflächen. 4,1 von elf Hektar Wald würden bleiben. Dem steht die Bürgerinitiative Altdrewitz-Kirchsteigfeld entgegen. Der Wald soll fast komplett erhalten bleiben, sagte Wilfried Naumann. Andreas Ehrl von der CDU-nahen Mittelstandvereinigung erklärte, es gehe nicht ums Klein-Klein von Grundstücksgrenzen und den Verlauf einer Straße. Es müsse eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, ob Potsdam diese seiner Ansicht nach „hochwertigen Gewerbeflächen“ aufgeben und dafür Einzelhandel ansiedeln will. Dies habe die Stadt seiner Ansicht nach genug. Dafür fehlen in Zukunft Gewerbeflächen. Die Stadt brauche diese, um einen guten Branchen- und Beschäftigungsmix zu haben.
Gibt es zwischen den Parteien Konsens?
Nur in drei Details. Erstens: Sowohl Befürworter als auch Gegner der Entwicklung des Areals plädieren für den Neubau einer Straße, die das Kirchsteigfeld direkt an die Trebbiner Straße und somit an die Autobahn anbindet. Die Finanzierung ist jedoch ein Streitpunkt: Die Stadt kann es nicht bezahlen, sagt Stadtplanungschef Andreas Goetzmann. Und der Investor will es nur bezahlen, wenn er auch weitere Flächen als Einzelhandel entwickeln kann. Die Kosten für die Straße liegen je nach Ausbaugrad – mit Fuß- und Radweg oder nicht – zwischen 1,5 und 3 Millionen Euro. Zweiter Konsens: Es soll eine Entwicklung des Areals geben. Und drittens: Die Politik muss entscheiden.
Was wurde jetzt diskutiert?
Es geht um die Vorbereitung eines neuen Bebauungsplanes. Die Stadtverordneten wollen ein geordnetes Verfahren für die Entwicklung der Flächen. Die Verwaltung versucht daher nun herauszufinden, welche Interessen es gibt und was künftig gebaut werden darf. Dafür hat die Verwaltung sich sechs Varianten ausgedacht: Von keiner Entwicklung bis hin zur kompletten Umsetzung des Zentrums „Drewitz-Park“. Die Bürgerinitiative hat ebenfalls fünf Vorschläge gemacht, der Projektentwickler zwei. Aldingers Optionen sehen die komplette Entwicklung bis hin zur Autobahn vor – mal mit mehr, mal mit weniger Einzelhandel. Diskutiert haben in dem zweitägigen Workshop Parteienvertreter, Interessevertreter der AG Innenstadt, des Stern-Centers und des Baustoffhandels, Bürgerinitiative, Projektentwickler, Stadtverwaltung und Anwohner.
Wie geht es jetzt weiter?
Ursprünglich hatte die Verwaltung sich einen Kompromiss am Wochenende erhofft. Den gibt es nicht. Nun soll der Zeitplan entzerrt werden. „Es gibt noch keinen Konsens, auf dessen Grundlage wir eine Planung erarbeiten können“, sagte Andreas Goetzmann. Ursprünglich wollte Goetzmann im Mai einen Plan vorlegen, was auf dem Areal entstehen kann und dem Grundstückseigentümer somit die Grundlage für die Vermarktung und Entwicklung bieten. Jetzt soll es jedoch lediglich eine Mitteilung an die Kommunalpolitik geben, die einen Zwischenstand darstellt, so Goetzmann. Im Frühjahr werde weiter diskutiert.
Warum wird darüber so intensiv diskutiert?
Hintergrund ist das von der Stadt erarbeitete Einzelhandelskonzept. Das sieht vor, die Zentren zu stärken. Und darin wird festgelegt, wie das passieren soll. Es ist ein Instrumentarium, Einfluss auf die Ansiedlung von Einzelhandel zu nehmen. Sollten jetzt am Kirchsteigfeld große Einzelhandelsflächen mit einem innenstadtrelevanten Angebot entstehen, wäre das Einzelhandelskonzept hinfällig. Dann müsste die Stadt unter Umständen frühere Planungen von Discountern oder Handelsketten, die auf Grundlage des Konzeptes abgelehnt worden sind, jetzt genehmigen, sollten sie den Bauantrag erneut stellen. Befürworter des Konzeptes befürchten ein Sterben der Innenstadt und Wildwuchs der Einzelhandelsflächen. Und die Bürgerinitiative sieht den Wald als Erholungsfläche in Gefahr. Denn der Investor muss zwar Ausgleich schaffen, allerdings laut Goetzmann nicht im direkten Umfeld.
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