Links und rechts der Langen Brücke: Kein Ort für Grabenkämpfe
Michael Erbach fordert eine genaue Aufarbeitung der Umstände des Abrisses der Potsdamer Synagoge
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Das Frage ist nicht neu. Wie gehen wir mit Bausünden und Fehlern bei der Stadtentwicklung zu DDR-Zeiten um? Heute wissen wir, dass das Potsdamer Stadtschloss ebenso hätte gerettet werden können wie die Garnisonkirche. Beide Gebäude wurden im Krieg schwer beschädigt und auf Anweisung der DDR-Regierung – auch politisch motiviert – zerstört. Beide Gebäude sollen nun wiederentstehen: Auf dem Alten Markt wird der neue Landtag mit der historischen Fassade des Stadtschlosses gebaut, und aus Spendengeldern soll die Garnisonkirche in alter Pracht wiederentstehen. Bislang unbeachtet blieb, dass die jüdische Synagoge nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 noch bis 1957 ebenfalls als Gebäude im Potsdamer Stadtbild zu finden war – ehe sie abgerissen wurde. Die CDU will nun mit einer Tafel an die Zerstörung der Synagoge durch die DDR-Oberen erinnern. Die Gedenktafel soll neben der Tafel angebracht werden, die an die Pogromnacht erinnert. Im Hauptausschuss gab es heftige Debatten darüber, ob dies angebracht sei. Eine Mehrzahl der Ausschussmitglieder befürchtet zu Recht eine Gleichsetzung der Pogromnacht – die als Auftakt für die Massenvernichtung der Juden gilt – und dem Abriss eines Gebäudes. Ein solcher Bezug wäre historisch falsch, selbst die Möglichkeit einer solchen Interpretation durch eine – so wie geplant – gleichrangig angeordnete Tafel darf es nicht geben. Dazu kommt: Sollen bzw. können der DDR-Regierung überhaupt – anders als bei Stadtschloss und Garnisonkirche – politische Motive unterstellt werden, die dem Abrissbeschluss für die Synagoge zugrunde liegen? Das haben nicht einmal die Betroffenen getan. Die CDU-Tafel jedoch ließe einen solchen Schluss zu, denn es heißt: „Trotz nur geringer Kriegsschäden wurde die ehemalige Synagoge 1957 wie andere erhaltenswerte Gebäude der Stadt abgerissen.“ Zwar sind viele Umstände des Abrisses der Synagoge inzwischen bekannt. So wurde die Inneneinrichtung der Synagoge im Novemberpogrom 1938 zerstört, wegen des benachbarten Postgebäudes wurde die Synagoge jedoch nicht Opfer einer Brandstiftung. Die Post übernahm das intakte Gebäude und benutzte die Synagoge als Posthörsaal bis zur Zerstörung beim Luftangriff am 14. April 1945. Die Ruine wich dann 1957 einem Neubau. Zuvor hatte es allerdings heftige Auseinandersetzungen zwischen DDR-Behörden darüber gegeben, ob die Bausubstanz erhalten werden sollte. Das Ansinnen, der historischen Wahrheit Genüge zu tun, ist nicht zu kritisieren – schließlich verschwand die Synagoge nicht 1938, sondern 1957 aus dem Stadtbild. Und das sollte den Besuchern der Stätte vermittelt werden. Doch dies soll in angemessener Form geschehen: im im Angesicht der Einmaligkeit jener historischen Schändung und im Wissen um die Umstände des Abrisses zu DDR-Zeiten. Der Standort der jüdischen Synagoge taugt nicht für politische Grabenkämpfe – 70 Jahre nach der Pogromnacht.
Michael Erbach
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