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Homepage: Kein Wille zum Dialog

Lene Zade

Stand:

Im Jahre 1964 hat Gershom Scholem in diskutierbarer Weise gegen den Mythos der deutsch-jüdischen Symbiose angeschrieben. Voraussetzung für ein Gespräch seien zwei gleichberechtigte Partner, die sich zumindest Mühe geben, einander zuzuhören. Im deutsch-jüdischen Verhältnis hätten sich aber nur die Juden für die deutsche Kultur interessiert, nie aber sei es umgekehrt gewesen. Das derzeitige Berufungsverfahren der Professur für Neuere Geschichte II mit Schwerpunkt auf deutsch-jüdischer Geschichte an der Universität Potsdam scheint Scholem Recht zu geben. Da der jetzige Lehrstuhlinhaber, Prof. Julius H. Schoeps zum kommenden Semester emeritiert wird, wurde die Stelle neu ausgeschrieben. Schon der Ausschreibung fehlte der dialogische Wille, denn sie wurde lediglich auf der uni-eigenen Homepage und in einer Fachzeitschrift bekannt gegeben. Aber auch der 5. Mai 2007 als Termin, an dem die fünf ausgewählten Kandidaten zu den öffentlichen Probevorlesungen und -seminare vor Studierenden eingeladen wurden, lässt an Feingefühl für den deutsch-jüdischen Dialog zweifeln. Denn es ist reichlich unsensibel, für die öffentliche Diskussion über die Besetzung der Professur, die die Geschichte des deutsch-jüdischen Verhältnisses von der Neuzeit bis in die Gegenwart hinein erforschen soll, an einem Samstag einzuladen. Das wäre in etwa so, als würde zur Abstimmung über die Professur zur Erforschung des Christentums an einem Sonntag um 10 Uhr geladen. Samstag ist Schabbes, der Ruhetag der Woche, nicht nur im religiös-jüdischen Alltag. Juden, denen die religiösen Vorschriften wichtig sind, vermeiden es, samstags das Haus zu verlassen. Damit kommen sie weder für die Besetzung einer solchen Stelle in Frage, noch haben sie die Möglichkeit an dem Auswahlverfahren aktiv teilzunehmen. Doch auch nichtreligiöse Juden müssen sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn eine Grundkonstante ihrer Kultur derart ignoriert wird. Lebte Scholem noch, der einmal Gerhard mit Vornamen hieß und in Berlin geboren wurde, dann hätte er dieses Berufungsverfahren sicherlich als einen weiteren Beleg dafür interpretiert, dass Deutsche wohl über Juden reden wollen, jedoch nicht mit ihnen.

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