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Vermisster Elias aus Potsdam: Keine Hoffnung mehr

Im Schlaatz kehrt der Alltag ein. Auch wenn die Polizei bei der Suche nach Elias einer neuen Spur folgt. Ein Besuch vor Ort.

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Potsdam - Es ist still geworden im Potsdamer Stadtteil Schlaatz. Am Freitagmorgen basteln einige Handwerker seelenruhig vor dem Bürgerhaus an den Sitzbänken aus Holz – sie müssen winterfest gemacht werden. Nur einige Meter von einem Supermarkt entfernt steckt eine Schnapsflasche kunstvoll drapiert zwischen Bommerlunder-Verpackungen im Mülleimer. Im Gebüsch glitzert in der schon herbstlichen Sonne ein Stück Absperrband. Hier war noch vor einigen Wochen die Schaltzentrale des Freiwilligen-Einsatzes für die Suche nach dem am 8. Juli spurlos verschwundenen sechsjährigen Elias.

Hunderte Bewohner der Plattenbausiedlung hatten im Juli in kleinen Trupps die Umgebung nach dem Jungen abgesucht. Am Anfang wollten alle nur das Kind finden und den knapp 150 eingesetzten Polizisten helfen. Je länger die Suche dauerte, umso chaotischer wurde es. Streit kam auf, Rivalitäten, bis die Aktion schließlich abgebrochen wurde. Mittlerweile wurde sogar eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung gestellt. Elias blieb verschwunden.

„Hätten wir weitergesucht, hätten wir uns lächerlich gemacht“

„Ja, wir hätten transparenter und offener sein sollen“, räumt David Krause ein, einer der Organisatoren des Hilfseinsatzes. „Wir schotteten uns auch ab, weil der Täter möglicherweise auch unter den Suchenden war“, betont er. Daraus habe er gelernt. Es sei gut gewesen, dass die Polizei ein Signal gesetzt habe, die Suche zu beenden. „Hätten wir weitergesucht, hätten wir uns lächerlich gemacht.“ Es habe ja nichts mehr abzusuchen gegeben.

Aber vielleicht fehlte auch die Unterstützung und Anleitung durch Polizei oder die Stadtverwaltung. Es habe in den ersten Tagen nach dem Verschwinden des Jungen kaum Kontakt zur Polizei geben. „Dabei hätte ein Beamter vor Ort gereicht“, sagt Gaby Franz, die ebenfalls die Freiwilligen-Teams mit anleitete. Die Anwohner hätten alles alleine organisieren müssen, von der Verpflegung bis zu den Getränken. Und auch der Zuspruch der Stadt habe gefehlt, bis heute.

Der Fall Elias beschäftigte jeden

Zwar ist die Hoffnung, Elias doch noch lebend zu finden, mittlerweile gering. Der Junge war beim Spielen auf einer Sandfläche vor dem Wohnhaus seiner Mutter in der Straße Inselhof spurlos verschwunden. Tagelang wurde das Gebiet ergebnislos durchkämmt, auch die Belohnung von 50 000 Euro für Hinweise, die eine Privatperson ausgelobt hatte, führten zunächst nicht weiter. Sogar der Wasserstand der Nuthe war abgesenkt worden, um den Schlick zu durchsuchen. Nur noch vereinzelt sind jetzt ältere Suchplakate mit dem Foto von Elias zu sehen, etwa am Bürgerhaus.

Dennoch beschäftigt das Thema fast jeden hier. Er glaube jedenfalls nicht mehr, dass Elias noch lebe, sagt Krause. Auch ein Pädagoge, der mit einer Grundschulklasse unterwegs ist, räumt ein, dass „alle hier im Juli aufgeregt und geschockt“ waren. „Das hat schon was verändert bei uns.“ Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Auch er glaube aber mittlerweile nicht mehr daran, dass der Junge noch lebt. „Der ist nicht mehr hier. Sonst wäre er ja gefunden worden.“

Für viele Schlaatzer ein Rätsel

Erstaunlich ist, dass an diesem Freitag trotz des guten Wetters kaum Mütter mit ihren Kindern unterwegs sind. Relativ gut besucht ist dagegen das nahe Familienzentrum Bisamkiez. Es liegt nur wenige Meter von der Wohnung von Elias entfernt. „Nein, wir haben ihn nicht gekannt“, sagte die Leiterin der Einrichtung, Beate Hänsel. Auch seine Mutter sei nicht bekannt. Nach wie vor seien alle hier betroffen.

Was wirklich mit dem Jungen passiert ist, ist für die Schlaatzer, wie sie sich nennen, immer noch ein Rätsel. Das sei alles irgendwie seltsam, sagt die zweifache Mutter Jenny Kämpfert, die am Nachmittag mit einer Freundin an einem der zahlreichen neuen Spielplätze sitzt. Sie lasse ihre drei und acht Jahre alten Jungs nun nicht mehr aus den Augen, versichert die 29-Jährige – und stellt zugleich in Frage, ob die Polizei wirklich alles getan hat, was möglich war.

Polizei sucht nach einem dunklen Kombi

Zu diesem Zeitpunkt war die Nachricht, dass die Polizei einen dunklen Kombi sucht, noch nicht bekannt. Demnach kommen die Insassen als Zeugen in Betracht, wie es in einer Mitteilung hieß. Es habe bei der „Aus- und Bewertung“ der mehr als 1080 eingegangenen Hinweise mehrere, sich überschneidende Angaben zu einem dunklen Kombi gegeben. Der schwarze oder dunkelblaue Wagen mit abgedunkelten Seiten- und Heckscheiben sei am Tag des Verschwindens von Elias im Bereich der Straßen Inselhof, Erlenhof und An der alten Zauche wiederholt gesehen worden. Was der oder die Insassen gemacht haben, sei unbekannt.

Die Ermittler hoffen jetzt, dass sich weitere Zeugen melden, die etwas zu dem beschriebenen Wagen sagen können. Vor allem geht es um das Kennzeichen des Autos und die Personen, die darin saßen. Dass in dem Fahndungsaufruf nach „Zeugen“ gesucht wird, ist Standard in derartigen Fällen. Nach „Tatverdächtigen“ kann in einem so frühen Stadium nicht gesucht werden, ein Tatverdacht kann sich aber bei weiteren Hinweisen ergeben. Wie berichtet, geht auch die Sonderkommission davon aus, dass Elias nicht mehr lebt.

"Sicherer war der Schlaatz wohl nie"

Für David Krause und Gaby Franz haben die Ereignisse aus dem Sommer aber auch etwas Positives. „Die Schlaatzer haben sich neu kennengelernt. Das ist gut“, sagen sie. So gebe es jeden Mittwoch einen Nachbarschaftstreff im Bürgerhaus, der von der Stadtteilpfarrerin Ute Pfeiffer organisiert werde. „Es ist mittlerweile sehr voll hier“, sagt Franz.

Und die Sicherheit? Die Leute seien sehr sensibilisiert, sagt Krause. „Sicherer war der Schlaatz wohl nie.“ Und vielleicht sei eine Nachbarschaftspatrouille hilfreich, schlägt Krause vor. Die müsste dann im Zweifel aber die Polizei alarmieren und nicht selbst handeln.

Stefan Engelbrecht

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