Homepage: Keine Pantoffelhelden
Schlösserdirektor Hartmut Dorgerloh sprach zum 10. Jubiläum des FH-Studiengangs Restaurierung
Stand:
Schlösserdirektor Hartmut Dorgerloh sprach zum 10. Jubiläum des FH-Studiengangs Restaurierung Erwischt! Die Kamera hält fest, wie die Stöckelschuhe der Gattin eines berühmten deutschen Fernsehmoderators beim Sektempfang erbarmungslos ihre Pfennigabsätze in das wertvolle Parkett eines Schlosses drücken. „Raus aus den Pantoffeln“ kann also zumindest was die ehemals königlichen Fußböden angeht keine generelle Lösung sein, selbst wenn Hartmut Dorgerloh in seinem Vortrag unter diesem Titel ausführte, dass der Schutz der wertvollen Schlösserböden durch die traditionellen Filzlatschen längst nicht mehr unumstritten ist. Der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg sprach anlässlich des zehnten Geburtstags des Studiengangs Restaurierung an der Fachhochschule Potsdam am vergangenen Freitag über Denkmalpflege im Praxistest – und über Pantoffeln. Problematisch, so stellte Dorgerloh mittels Film unter Beweis, seien die grauen Überzieher vor allem aufgrund ihrer „pantoffelimmanenten Bewegung“: Kaum steckten die Füße in den Dingern, fingen Jung wie Alt wie auf Knopfdruck an zu schlurfen und zu schlittern was das Zeug hält. Im Laufe einer Führung trocknet der Schmutz an den oft unzulänglich abgeputzten Schuhen und fällt ab, wodurch der Boden unter den Pantoffeln geradezu abgeschmirgelt wird. Da ursprünglich geplant war, lediglich den erlesenen Kreis gekrönter Häuptern über das Parkett schlurfen zu lassen, nicht aber 20 Millionen Besucher – Dorgerloh sprach lieber von 40 Millionen Pantoffeln – allein in den letzten 100 Jahren, wurde der Bodenbelag der Schlösser zu einer an vielen Stellen schon durchsichtigen und zerbrechlichen Schicht. Schäden wurden in der Vergangenheit oft genug nicht fachgerecht ausgebessert. Diese „rasant fortschreitenden Zerstörungsbilder“ stellten immer neue Herausforderungen an angehende Restauratoren, wie sie seit 29 Jahren in Potsdam, davon die zehn letzten Jahren in den gesamtdeutschen Strukturen einer Fachhochschule, ausgebildet werden. Mehr noch als die „fachliche Entscheidung am Objekt“ seien in zunehmendem Maß außerfachliche Kompetenzen, wie Teamfähigkeit gefragt. Will heißen: Raus aus den Pantoffeln der wissenschaftlichen Eingeschränktheit, raus in das berufliche Alltagsleben eines Restaurators und Konservators, wie er heute von einer Institution wie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gesucht wird. Statt die Besucher samt Zerstörungspotential zu verdammen, müsse der moderne „Anwalt der Kunstwerke“ gemeinsam mit Kollegen erörtern, in welcher Form begehbare Kunstwerke wie die Schlösser und Gärten Potsdams und Umgebung für Besucher zugänglich gemacht werden. Dabei müsse der klassische Widerspruch, dass etwas erhalten wird, um gezeigt zu werden, jedoch gerade durch die Besucher Schaden erleidet, gemeistert werden. Hierzu müssten, so Dorgerlohs Botschaft an Studierende und Lehrende der FH, die Gärtner ebenso angehört werden wie Touristikfachleute. Es müssten am Ende „vernetzte Entscheidungen“ getroffen werden. Natürlich liege die Verantwortung für ein Kunstwerk letztendlich beim Restaurator. Wenn er die Verantwortung aber ernst nehme, dürfe er sie nicht für sich allein beanspruchen. Moritz Reininghaus
Moritz Reininghaus
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: