
© Andreas Klaer
Von Antje Horn-Conrad: Keine Zeit verlieren
Otto Keck fordert in seiner Abschiedsvorlesung eine intelligente Analyse der Weltprobleme und Soft-Power in der Außenpolitik
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Wer in Potsdam „Internationale Beziehungen“ studiert, hat das Glück, nicht nur von exzellenten Theoretikern, sondern auch von erfahrenen Praktikern zu lernen. Vorlesungen von Diplomaten, Seminare im Auswärtigen Amt, Planspiele zu Verhandlungen des UN-Sicherheitsrates – all das gehört zum innovativen Konzept eines internationalen Masterstudiengangs, der 2006 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst als einer der zehn besten in Deutschland ausgezeichnet wurde. Zu verdanken haben dies die Universität und ihre Studierenden einem Professor, der, so Uni-Präsidentin Sabine Kunst, zu den Gründervätern der Potsdamer Alma Mater gehört und jetzt in die etwas freiere Arbeitsphase des akademischen „Ruhestands“ übertritt: Politikwissenschaftler Otto Keck.
Am Ende dieses Semesters nun hielt der Professor für Internationale Organisationen und Politikfeldforschung vor Studierenden, Kollegen und Wegbegleitern seine Abschiedsvorlesung. Keck sprach über die „Weltpolitik und den technisch-wirtschaftlichen Wandel“. Er warnte eindringlich davor, die Zeichen der Zeit zu verkennen. Angesichts der Verschiebung der ökonomischen Gewichte in der Welt werden Deutschland und die Europäische Union in internationalen Organisationen an Einfluss verlieren. Umso wichtiger sei es, die so genannte Soft-Power, die Attraktivität von Bildung, Kultur und Werten, zu stärken und mit einer intelligenten Analyse globaler Probleme und ihrer Lösung die politische Tagesordnung mitzubestimmen. Alles Reden darüber aber sei umsonst, wenn Deutschland seine Hochschulen nicht besser ausstatte, damit die Studierenden auch künftig an der weltweiten Kommunikation teilnehmen könnten. Zeit sei dabei nicht zu verlieren: „Die Studierenden von heute werden 2035 führende Positionen einnehmen.“
Für seinen Teil hat Otto Keck alles getan, Außenpolitiker der nächsten Generation auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Cornelia Künzel, die für die Studierenden sprach, dankte dem Professor dafür. Ein aufmerksamer Zuhörer sei er gewesen, ein kritischer Denker, der immer zu Diskussionen aufgelegt war. Unermüdlich habe er sich für den internationalen Austausch engagiert und so den Studierenden praktische Politikerfahrungen ermöglicht, die über das übliche Maß an einer Hochschule weit hinausgingen. Otto Keck gab das Kompliment zurück. Selten habe er so intelligente, politisch und sozial engagierte Studenten erlebt, wie in diesen Jahren in Potsdam. Die vielen Gespräche und gedanklichen Auseinandersetzungen haben ihn bereichert und dafür entschädigt, dass die eigene Forschung wegen der Aufbauarbeit in der Lehre manchmal zu kurz kam.
Sabine Kunst wünschte Otto Keck, mit der jetzt gewonnenen Freiheit Liegengebliebenes wieder aufnehmen zu können. Keck gilt als Experte für Informations- und Kommunikationsprobleme in politisch-ökonomischen Systemen. In der deutschen Politikwissenschaft war er der erste, der zeigte, dass der Informationsvorsprung der Wirtschaft häufig die Ursache von fehlgeleiteter staatlicher Politik ist. Gegenwärtig entwickelt Keck seine Theorieansätze zur Erfassung solcher Probleme weiter und wendet sie auf empirische Phänomene an.
Auch wenn die Forschung jetzt wieder in den Vordergrund rückt, wird Otto Keck der Universität verbunden bleiben, weiter Vorlesungen halten und Dissertationen betreuen. „Vielleicht öffnet sich ja auch ein Hintertürchen, durch das hindurch wir unsere gemeinsamen Seminare im Auswärtigen Amt fortführen können“, hofft Botschafter a.D. Dieter Boden, der wie sein Kollege Gunter Pleuger an diesem Theorie-Praxis-Experiment beteiligt war. „Trotz 40 Jahren Diplomatie hat sich mein Horizont hier noch erweitert“, sagte Boden. Und für Pleuger war es ein Spaß zu beobachten, wie intelligent die Studierenden in Fragen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik den Theoretiker und den Praktiker gegeneinander ausspielten. Niemand, der da nicht eine Fortsetzung wünschte.
Antje Horn-Conrad
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