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MITgefühlt: Kelten und Wärme

Im Einkaufszentrum stand der Mann vor dem Mädchen mit dem rot gemalten Gesicht, grinste und spielte Monster. Er hob die Arme, brummte mit tiefer Stimme.

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Im Einkaufszentrum stand der Mann vor dem Mädchen mit dem rot gemalten Gesicht, grinste und spielte Monster. Er hob die Arme, brummte mit tiefer Stimme. Das Mädchen kicherte, der Mann ging fröhlich singend die Rolltreppe hinunter. Das Mädchen lachte noch, während die Mutter, völlig verblüfft, der ganzen Szene zusah. Das Geschehen dauerte nur wenige Augenblicke. Es war ein paar Tage vor Halloween.

Was ist überhaupt Halloween und wann findet es statt? Theoretisch zwischen Reformationstag – dem Tag, an dem Potsdamer und Brandenburger nach Berlin zum Einkaufen fahren – und Allerheiligen, dessen Bedeutung im Einkaufsrausch dann weitgehend untergeht. Die Regale im Supermarkt liefern eine noch präzisere Information: Es ist das Fest zwischen Oktoberfest und Weihnachten. Wo sich noch vor einigen Wochen Dirndl und Lederhosen befanden und wo in wenigen Tagen Christbaumschmuck und Lichterketten liegen werden, sind zwischendurch geschnitzte Kürbisse und furchterregende Masken zu sehen. Keltische Bräuche – oder deren moderne Form – haben im Havelland Einzug gefeiert.

Ob es nächstes Jahr anders sein wird? Im Fernsehen war am Donnerstag ein Beitrag über Traditionen und Rituale anderer Länder im Zeitraum von Ende Oktober bis Anfang November zu sehen. In einer Gegend in Guatemala bauen die Menschen prächtige Riesendrachen, die eine Botschaft zu den geliebten Verstorbenen bringen sollen. Im Nahuatl-Land in Mexiko bereiten Menschen Süßigkeiten für die toten Familienangehörigen zu, die für eine Weile zu Besuch bei den Lebenden sein sollen. Doch mit oder ohne farbenfrohen Riesendrachen als Botschafter oder Süßigkeiten für die Verstorbenen – wir könnten auf jeden Fall, wie das Pärchen im Einkaufszentrum, einander einige schöne Momente gönnen. Die beiden waren so sehr mit sich beschäftigt, dass sie nicht einmal gemerkt haben, dass die Verkäuferin sie ansprach. Sie wandte sich an mich und wir kicherten. Als die beiden ihre Umgebung wieder wahrnahmen, protestierten sie. „Ich war doch viel früher als Sie da, aber Sie haben es nicht gemerkt“, sagte ich. Und die Verkäuferin fügte lächelnd hinzu: „Und ich wollte Sie sowieso nicht stören.“ Plötzlich lachten wir alle. Und wenn wir nicht aufgehört haben, lachen wir noch heute.

Marianne Ballé Moudoumbou wohnt in Potsdam und arbeitet als Diplom-Dolmetscherin. Ende 2010 wurde sie von rund einer Million Berliner und Brandenburger mit Migrationsgeschichte stellvertretend gewählt, um die Interessen der Gesellschaft im RBB-Rundfunkrat zu vertreten.

Marianne Ballé Moudoumbou

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