
© Manfred Thomas
Von Peer Straube: Kerzen für die Schwester
Kinderführung durch die Russische Kolonie
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Nauener Vorstadt - Regina Ebert hält ein Foto hoch. Abgebildet ist ein bärtiger Mann, der lächelnd vor einem Haus in der Russischen Kolonie posiert. „Weiß jemand, wer das ist?“, fragt die Stadtführerin. Sie blickt in ratlose Kinderaugen. „Das ist unser Oberbürgermeister“, sagt Ebert. „Jakobs“, erinnert sich ein Junge.
Die kleine Gruppe steht am Montagvormittag vor Jakobs’ Wohnhaus in Alexandrowka. Ebert hat zu einer Kinderführung durch die Russische Kolonie eingeladen, ein halbes Dutzend ist im Schlepp von Großeltern oder Eltern erschienen. Seit zehn Jahren bietet Ebert, Chefin des Stadtführer-Vereins Guide e.V., solche speziell auf Kinder zugeschnittenen Führungen an, durch Sanssouci, durch die Innenstadt oder eben durch Alexandrowka. Schulen und Kitas nehmen das Angebot gern an, auch für Kindergeburtstage wird Ebert gebucht.
Geduldig erzählt sie den Knirpsen die Geschichte des Ensembles, das nach Zar Alexander benannt wurde. „Zar, das ist sowas wie ein König bei uns“, sagt sie. Unterwegs lockert die Stadtführerin ihren Vortrag mit kleinen Spielchen auf. So können die Kinder zum Beispiel auf vorbereiteten Blättern ein russisches Haus abmalen oder eines der Holztore, die den Eingang zu den Grundstücken markieren. Ebert deutet auf das blau-weiße Denkmalschutzzeichen an einem der Häuser. Sie fragt, ob die Kinder wissen, was Denkmalschutz bedeutet. „Man darf nichts verändern“, sagt ein Mädchen und trifft damit wohl gerade in Potsdam den Nagel auf den Kopf. „Über 1000 solcher Zeichen finden sich in Potsdam“, erklärt die Führerin den Kindern.
Am Schnittpunkt der Wege, nach der Hälfte der Tour, gibt’s eine Stärkung – natürlich Russisch Brot. Blitzschnell verschwinden die kleinen Hände in der Tüte und fischen nach der beliebten Leckerei. Dann geht’s auf den Kapellenberg. Dem achtjährigen Marius Hemmleb macht die Führung Spaß. „Wo es etwas Neues gibt, ist er immer gleich mit dabei“, erklärt seine Oma Erika stolz. Bevor die Gruppe die Alexander-Newskij-Kapelle betritt, mahnt Ebert die Kinder, im Gotteshaus möglichst leise zu sein. Die elfjährige Nele Tolzin kauft drinnen ein paar Kerzen. „Damit meine Schwester ihr Studium gut schafft“, sagt sie und zündet sie an. Das Mädchen kommt aus Bad Doberan und besucht in den Ferien Oma und Opa. Die Führung gefällt ihr, obwohl sie die Kolonie schon kennt. „Vieles wusste ich aber noch nicht“, sagt sie. Am Schluss, vor dem Museumshaus, liest Ebert das russische Märchen vor, in dem eine ganze Familie versucht, eine störrische Rübe aus der Erde zu ziehen. Die Gruppe spielt das Märchen nach. Zur Belohnung gibt’s nochmal Russisch Brot.
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