
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Kettenreaktionen
An der Uni Potsdam rüsten Atomkraftgegner zum Protest gegen Castortransporte – und lehren das friedliche Blockadeverhalten
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Wie weit sie gehen werden, wissen die Meisten noch nicht. Fest steht, sie wollen den Castor-Transport stoppen. Am Samstag konnten die gut 20 Atomkraftgegner im Studicafe in Golm friedliches Blockadeverhalten lernen und üben. Beim letzten Castor-Transport 2008 kamen laut Veranstalter 16 000 Demonstranten. Der diesjährige Atommüllzug wird am 5. November im französischen La Hague starten und elf Behälter mit hoch radioaktivem Müll transportieren.
Das Blockadetraining in Golm wurde vom Anti-Atombündnis in Kooperation mit Atomkraftgegnern organisiert. Dabei standen den Teilnehmern zwei erfahrene Widerständler zur Seite – Anton und Theoderich. Beide gaben ihre Erfahrungen und wichtige Hinweise für eine Sitzblockade weiter. Anton ist Geoökologie- Student und schon seit sechs Jahren aktiv im Einsatz für die Umwelt. Auch beim G8-Gipfel war er dabei, wo zwei seiner Freunde verletzt wurden. Daher riet er auch allen Teilnehmern genügend Wasser mitzunehmen, um im Ernstfall Pfefferspray aus den Augen spülen zu können. Weiterhin empfahl Anton die Telefonnummer des Ermittlungsausschusses zu notieren, der bei einer Verhaftung für juristischen Beistand sorge. Wichtig sei neben warmer Kleidung auch der Personalausweis und ein Sitzkissen. In Kaffeekränzchenatmosphäre verfolgten alle Zuhörer Antons Ausführungen.
Theoderich ist selbständig und seit über zehn Jahren bei den Castor-Transporten dabei. Er riet die Handys auszuschalten, damit bei einer eventuellen Verhaftung keine Kontaktdaten von Freunden und Bekannten von der Polizei eingesehen werden können. Theoderich wurde selbst bei einer Blockade verhaftet und weiß, wovon er spricht. Der Öko-Referent vom AStA der Uni Potsdam machte auf das Recht der Verpflegung im Gefängnis aufmerksam und berichtete von Wurstbroten. Das sorgte bei Barbara-Sophie Hohenberg, Vegetarierin, für Skepsis. Sie ist Mitbegründerin vom Anti-Atombündnis Potsdam.
Danach standen die juristischen Konsequenzen bei einer Sitzblockade auf dem Programm. Das Sitzen auf den Schienen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Den Castor zu schottern, das heißt den Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen, um die Gleise auszuhöhlen und sie für den Zug unbefahrbar zu machen, ist eine Straftat. Das „Schottern“ sei eindeutig ein Straftatbestand. Die rechtliche Einschätzung reiche von Sachbeschädigung bis zu einem „gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr“, erklärt Roland Kazimierski, Oberstaatsanwalt in Lüneburg, gegenüber Welt online.
Bei strahlendem Sonnenschein hieß es dann: Rollenspiele - Demonstrant und Polizist. Auf einem menschenleeren Campus saßen circa 20 Menschen vor dem Studicafe und ließen sich von zwei Polizisten spielenden Teilnehmern wegtragen. Beim Abtragen umfassen die Arme die angewinkelten Beine in den Kniekehlen, so ist das wegtragen für den Demonstranten angenehmer und die Polizisten einfacher.
Nach dem Training in Golm konnte anschließend die Theorie in der Praxis angewandt werden. Einige Teilnehmer, unter ihnen auch Benjamin Raschke (Landesvorsitzende/ Die Grünen), fuhren nach dem Blockadetraining nach Wittenberge, um symbolisch den Bahnhof zu blockieren. An der Blockade beteiligte sich auch SPD-Bundestagsfraktionsvize Dagmar Ziegler. Friederike Sophie Foitzik
Friederike Sophie Foitzik
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