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Die Umstellung auf den Bachelor-Abschluss bedeutet für viele Studierende einen Zeitverlust
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Bereits ein ganzes Studienjahr hat sie verloren. Julia Marten (Name von der Red. geändert) ist eine von vielen Studierenden, die mit Einführung des Bachelor-Abschlusses auf ein verkürztes Studium gehofft hatten. Doch nach dem Hochschulwechsel an die Universität Potsdam aus dem Ausland und ihrer Herabstufung in ein niedrigeres Fachsemester, weiß Julia Marten, dass ihr Studium wesentlich länger dauern wird als geplant.
Mit Einführung des Bachelors im europäischen Bologna-Prozess von 1999 sollte eigentlich das Gegenteil bewirkt werden: Durch den Bachelor sollten Studierende in Europa nicht nur „flexibler, mobiler und internationaler als je zuvor“ werden, sondern bis 2010 sollte ein „gemeinsamer Hochschulraum“ geschaffen werden. So wird der neue Abschluss offiziell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beschrieben.
Von dieser Flexibilität bekommt Julia Marten eher wenig zu spüren. Vom Prüfungsausschuss der Potsdamer Universität ist sie nur zum zweiten Fachsemester zugelassen worden, obwohl sie im Ausland bereits zwei Semester lang studiert hat. Studieren kann sie in diesem Fachsemester noch gar nicht, denn Kurse des zweiten Fachsemesters werden nur im Sommersemester angeboten.
Doch nicht nur Hochschulwechsler aus dem Ausland müssen sich auf einige Schwierigkeiten einstellen. „Sogar Studierende, die von der Freien Universität Berlin an die Uni Potsdam wechseln wollen, haben es nicht leichter“, erklärt Tamàs Blenessy, Sprecher des Allgemeinen Studierenden Ausschusses der Uni (AStA). Laut Blenessy bestehe keine Flexibilität unter den Professoren, wenn sie einen Studenten einstufen. Manche Leistungen würden einfach nicht ins Konzept der Lehrkräfte passen und deshalb nicht anerkannt. Außerdem sei das System, im Gegensatz zum vorherigen Diplom-Abschluss, sehr stark modularisiert. So bestünde immer weniger Wahlfreiheit für die Studenten, erklärt der AStA-Sprecher. Das wirke sich auch auf die geplante „Mobilität“ aus. Der Vize-Präsident für Lehre und Studium der Universität Potsdam, Thomas Grünewald, sieht diese Spezialisierung und Modularisierung eher als einen Vorteil des Bachelor-Abschlusses an: „Die Vielfalt der Universitäten bleibt uns so erhalten.“
Allein in Deutschland gebe es über 10 000 verschiedene Studiengänge, so Grünewald. Außerdem versuche der Prüfungsausschuss, die Studenten vorteilhaft in ein Semester einzustufen. Jedoch sei das oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn Studenten etwa auf einer anderen Universität kaum Prüfungen abgelegt, oder keine vollständigen Module erworben hätten, sagt die Leiterin des Studierendensekretariats, Hannelore Leuendorf. Fest stehe jedenfalls, „dass noch viel Angleichung in diesem neuen System erforderlich ist“, so Leuendorf.
Dass man sich in einer Übergangssituation befinde, weiß auch Vize-Präsident Grünewald. Die Angleichung dauert ihm zufolge mindestens sieben Jahre. Zwar könnten sich in der Zukunft Standards an den einzelnen Universitäten herausbilden, doch ein Standortwettbewerb würde nach wie vor bestehen bleiben. „Das Hochschulsystem kann nicht völlig gesetzlich normiert werden“, meint Grünewald.
Inzwischen müsste jeder Student einen Studienwechsel „eigenverantwortlich“ planen, so der Vize-Präsident. AStA-Sprecher Blenessy fordert die Studierenden indes auf, hartnäckig zu bleiben, auch wenn sie herabgestuft würden. Der Sprecher ist verärgert, dass die Uni „auf dem Rücken der Studenten“ experimentiere. Ein verlorenes Jahr bekommt man allerdings auch durch Hartnäckigkeit nicht wieder zurück, weiß Julia inzwischen. Vize-Präsident Grünewald rät dennoch zur Gelassenheit: „Studenten sind momentan einfach Kinder ihrer Zeit.“
Susanna Maier
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